So, Ihr lieben Frauen, der Sommer kann kommen…
Corona ist erst einmal ausgeblendet und unser Kleiderschrank wird wieder neugierig und voller Freude geöffnet.
Was passt noch von all den Röcken, Blusen und Gürteln? Sind die Farben noch schön und aktuell? Welche Überraschungen gibt es, weil das eine oder andere Teil vielleicht ein bisschen eng geworden ist. Möglicherweise wurde es auch zu klein gekauft oder Corona sich zu breit gemacht hatte.
Langsam holte ich ein Stück nach dem anderen aus dem Kleiderschrank und ich erschrak zutiefst. Die meisten Kleider, Röcke und Blusen hatte ich wohl wirklich zu klein gekauft oder meine Figur hatte sich verändert, denn es spannte über dem Busen, kniff in der Taille und ein paar mal hörte ich es auch leise reißen, weil die Hose zu knapp beim Zumachen des Reißverschlusses streikte. Und das trotz der Tatsache, dass ich durchaus in der Lage war, in eine zu enge Hose zu schlüpfen, dabei die Luft anzuhalten wie zu früheren Zeiten, um den Reißverschluss zu schließen. Aber nun geriet meine Haut auch noch zwischen die Reißverschlusszähne, weil es nicht reichte, die Luft anzuhalten.
Was sollte ich machen, der Sommer war zu spät und zu schnell gekommen und auch unsere Befreiung von Maske und Unlust hatte uns zur falschen Zeit erwischt. Selbst der Badeanzug passte nicht mehr trotz Elastan und anderer angenehmer Hilfen gegen Einengung und für besseres Atmen.
Ich kam mir vor wie eine Wurstpelle. Nein, stimmt nicht, ich war eine. Und nun?
Ich kann doch nicht in ein paar Tagen so viel abnehmen, damit alles wieder passt. Jetzt steht die Sonne hoch am Himmel und knallt auf unseren Leib. Die wartet nicht, bis wir alle Pfunde wieder runter haben. Sie ist jetzt heiß und mir auch. Und der Schweiß rinnt.
Also, ich überlegte nicht lang und entschied mich, gleich am nächsten morgen, nicht zu spät, in die Stadt zu fahren, um mir wenigstens ein Outfit und einen Badeanzug zu spendieren. Schließlich hatten wir alle lange genug durchgehalten in der Corona-Zeit
und in den Monaten vielleicht wirklich ein bisschen, aber nur ein kleines bisschen, zu viel gegessen. Um uns zu trösten oder weil wir die Freunde nicht sehen konnten oder weil uns langweilig war. Es gab auch nicht ganz wenige, die wirklich depressiv wurden. Und was ist dann tröstlich? Ein leckerer Kuchen, eine Sahnetorte, ein Steak, ein Eis und ein Bierchen oder ein Glas Wein. Manchmal auch von allem mehr.
Am nächsten Morgen saß ich schon bald in der Straßenbahn und freute mich sehr, dass ich einmal wieder so richtig zuschlagen konnte, um mir was schönes zu gönnen. Es war neun Uhr und kein Geschäft war offen.
Das kann nicht wahr sein,“ dachte ich, „Alle müssten doch wild darauf sein wieder zu öffnen.“
Mir blieb nichts als Geduld. Und endlich begann sich in den meisten Kaufhäusern das Leben zu regen und wir durften eintreten in die heiligen Hallen. Zunächst empfand ich nur Überfluss, doch schon nach kurzer Zeit hatte ich mich wieder daran gewöhnt, dass eigentlich alles zu haben ist.
Ich ging von Ständer zu Ständer, um zu suchen und zu finden. Ich schaute in die Regale, wo ordentlich und dekorativ die Pullover lagen. Ich hielt mir Hosen erst mal an den Körper, weil ich sie noch nicht anprobieren wollte.
Die Pullis waren zu kurz oder zu lang. Waren sie zu kurz, dann sah ich fett aus, waren sie zu lang, war meine Figur wie ein Kasten. Unförmig! Daraufhin versuchte ich es mit Hosen. Die einen waren viel zu lang, die anderen zu kurz. Gekniffen haben sie in der Taille alle.
Ich tröstete mich damit, dass ich es doch vielleicht erst mal mit den Badeanzügen versuchen sollte, denn da musste ich, ob ich es wollte oder nicht, meine Figur ganz realistisch ansehen.
Ich ging also mit drei dunklen Badeanzügen in die triste Kabine. Das Licht, eine einsame Birne, schien von oben und machte mir keine große Hoffnung, dass ich hier glücklicher werden würde. Aber ich zog aus, was ich ausziehen musste und stellte mich erschüttert vor den Spiegel. Die schwarzen Kniestrümpfe hatte ich neben der Unterwäsche nicht ausgezogen und so versuchte ich den ersten Badeanzug anzuprobieren. Schwarze Kniestrümpfe, dunkler Badeanzug, dazwischen die Cellulite und weiße Schwabbelhaut. Nicht auszuhalten! Unerträglich!
Ich glaube, ich halte es mit Karl Lagerfeld: Alles muss spätestens ab 60 zugehängt werden.
Ich zog mich wieder an und fuhr nach Hause. Ich machte mir einen leckeren Kaffee, aß als Trost ein schönes Stück Kuchen und dachte: „Wir haben die Pandemie überstanden. Wir überstehen auch noch unsere vielen Pfunde. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“