Aus einer Jugendfreundschaft wird Liebe im Alter

Henrik Golderman war ein Menschenfischer. Er wusste genau, wie man die richtigen Menschen zusammenführen konnte. Er hatte ein unglaubliches Gespür, wer zu wem passt. Und das war auch der Grund, warum diese Gruppen dann so stark wurden.

Privat sah das nicht so gut bei ihm aus. Er war einmal verheiratet für kurze Zeit und dann mit 70 Jahren lose verbandelt mit einer seinen vielen Freundinnen, wobei er nicht gerade glücklich war.

Aber das ließ ihn zu Hochform auflaufen bei all den Menschen, mit denen er arbeitete. 

Er war Architekt und Immobilienmakler und ein naiver Menschenfreund. Das war der Grund bei dieser Mischung, warum man ihn liebte. Er förderte Maler, Bildhauer, Musiker, Designer und Schriftsteller und hatte inzwischen für diese Menschen Räume zur Verfügung gestellt, wo sie arbeiten, aber auch eigenständig ausstellen oder sich gar vorstellen konnten.

Einige waren schon sehr bekannte Künstler, andere erst am Anfang ihres Schaffens.

Und diese Mischung machte es, dass viele Besucher kamen, um sich alles anzuschauen, vielleicht zu kaufen,  sich nur zu  informieren. Auf diese Weise profitierten alle ein bisschen vom Bekanntheitsgrad eines Künstlers oder erfuhren vom Nachwuchs, wohin die künstlerische Reise gehen könnte. 

Natürlich brauchte er dazu seine Helfer, die koordinieren, Treffen absprechen, Veranstaltungen vorbereiten, für die Designer die Örtlichkeiten herrichten, damit die Modells die Arbeiten vorstellen konnten, der Poet, wenn er seine Geschichten vorlesen wollte, brauchte ein Publikum, der Maler und Bildhauer die richtige Beleuchtung, der Musiker die gut aufgestellten Lautsprecher und vieles mehr. Die machten das alles oft ehrenamtlich, aber andere mussten dafür bezahlt werden. Das klappte bisher ganz gut, aber noch nicht sehr gut, wie er das eigentlich gerne wollte.

Also suchte er weiter nach Personen, wenn möglich nach solchen, die das alles schon Berufs wegen gemacht hatten. Es waren bisher viele zum Vorsprechen da, doch den meisten fehlte das Herz und die Lust mit zu gestalten.

Bis eines Tages eine etwa 60 Jahre ältere nette Dame kam, die interessiert war, weil sie sich verändern wollte, um nicht mehr nur Termine für ihre Politiker und Kollegen machen zu müssen.

Sie selbst war auch politisch aktiv, doch ihr Bedürfnis war, noch näher am Menschen zu sein.

Das gefiel Henrik sehr, denn er tickte ähnlich wie sie. Er fing an, mit ihr probehalber einige Sachen zu machen, weil er sehen wollte, wie gut das alles klappen könnte. Es kamen auch einige Termine dazwischen, die nicht eingeplant waren. Sie passte an jede Stelle und er war glücklich, weil er sich am Ziel sah.

Er überraschte sie mit kurz angesagten Terminen außer Haus und auch das schaffte sie mit Bravour. Das hieß nun, sie ist die richtige am richtigen Platz. Noch einmal überraschte er sie mit einem Termin, weil er eine Künstlerin bei ihr zu Hause besuchen wollte, um sich ihre Arbeiten anzusehen. Er bat sie auch, mit ihm dahin zu kommen.

Nach kurzer fröhlicher Begrüßung wurden die Bilder begutachtet und ein Kinderbuch zum Vorlesen durchgeschaut, welches die Malerin vorlesen sollte, es aber immer abgelehnt hatte, weil ihre heisere Stimme nicht genügend tragen würde. „Das macht doch nichts,“ meinte sie dazu. „Sie können die einführenden Worte sagen und ich lese die Kindergeschichte vor und zwar so, wie Sie es mir vorschlagen.“ Das war alles so selbstverständlich, dass die Malerin das gerne überdenken wollte.

Die beiden verabschiedeten sich, die Malerin winkte Henrik nochmal zu sich und meinte nur: „Sie sind ja auch farblich so gut aufeinander abgestimmt, das passt. Vermasseln Sie nicht diese wunderbare Begegnung.“ Mit seinen 70 Jahren wurde er sogar noch rot und er meinte leise: „Merkt man denn, dass ich sie so sehr mag!“ — Sie grinste und meinte:

Ja und wie.“

Das war der Tag, an dem die beiden nach dem Besuch bei der Malerin zusammen Mittag gegessen haben und anfingen, sich das erste Mal so richtig miteinander zu unterhalten. Sie erzählte, was sie nach ihrer Scheidung so alles gemacht habe und er tat das gleiche. „Die Scheidung war das beste in meinem Leben,“ sagte er dann. „Ich bin bei meiner Mutter groß geworden. Sie war eine wunderbare Frau und hat mir beigebracht, die Menschen zu lieben. Das war für mich sehr hilfreich.“ — „Und es gefällt mir so an Ihnen,“ gab sie zur Antwort. „Sie erinnern mich an jemanden, dem es so erging wie Ihnen. Und ich habe mich oft gewundert, warum eine Mutter so lieb sein kann und auch so erzieht, obwohl sie selbst nicht viel Gutes von den Mitmenschen erfahren hat.“ — „Sie sind mir von Anfang an so vertraut gewesen,“ murmelte er nur, „Sie erinnern mich auch an jemanden. Aber ich weiß nicht genau an wen? Wo kommen Sie eigentlich her und wo sind Sie aufgewachsen?“

„Ich bin in der Eifel groß geworden und…“ – „Ich auch, nämlich in…“ — Beide fingen an zu lachen und wussten mit einem Mal, dass sie Nachbarskinder gewesen waren, sich sehr mochten und später aus den Augen verloren. Beide hatten Spitznamen und er erinnerte sich sofort. 

„Kathinka, hat man Dich gerufen,“ und sie lachte entspannt, „Du warst Riko: „Ich glaube, wenn wir beide diese Namen genannt hätten, dann hätten wir gleich gewusst, wer wir sind. Wir waren so eng miteinander und hatten noch keine grauen Haare und schöne Fältchen!“ — „Nein,“ kam die Antwort, „wir waren da noch nicht weise. Du warst acht Jahre und ich 17, jung und doof“ — „Nein,“ fand sie, „für mich warst Du klug und sehr erwachsen und ich fühlte mich so beschützt.“

Sie hatten dann keine Minute mehr zu verlieren und kurz vor Weihnachten heirateten sie. Er hatte es nicht vermasselt, wie es die Malerin ihm angedroht hatte.

Herzlichen Glückwunsch!