Dies ist der zweite Teil der Geschichte von vier Freundinnen, die im Jahre 1958 zusammen zur Tanzschule gingen (Teil 1).
Nach dem Mittelball war man sich schon ein bisschen vertrauter geworden und so wagten die Mädchen hin und wieder, sich bei den Jungs zu beschweren, wenn sie noch immer getreten wurden. Aber es war nun schon viel mehr Lachen in ihren Gesichtern. Zu Hause hingegen wurde gezeichnet, wie das Kleid für den Abschlussball aussehen sollte und fragte sich, wer den Stoff spendieren könnte.Schließlich ließ sich Hannelores Vater erweichen und spendierte ihr die Hälfte des Stoffes und die andere Hälfte kam vom Patenonkel.
Bei Sigrid war es ähnlich, wohingegen Frauke als Einzelkind alles bekam: Kleid, Reißverschluss, Knöpfe und die Schneiderin dazu. Sabine bekam das Kleid ihrer Schwester. Hannelores Mutter konnte besonders gut nähen, nur wollte sie nicht immer so wie Hannelore: Hinten ein spitzer Ausschnitt und vorne auch. Beim Anprobieren schob die Tochter den Stoff immer weiter nach unten und die Mutter hob ihn wieder an. Aber irgendwann einigten sie sich und nach ein bisschen Gemurre, aber auch viel Dankbarkeit, bei nochmaliger Kontrolle des Schnittmusters und der gesteckten Kleidung wurde es endgültig genäht. Dies alles dauerte auch wirklich viele Wochen, vom Organisieren des Stoffes bis hin zum fertig genähten Kleid.
Und irgendwann war dann auch der Abschlussball gekommen und die Mädchen fingen an, sich zu begutachten. Das schönste Kleid hatte Frauke, die anderen drei waren in etwa gleich gut oder so… auch Sabine im Kleid ihrer Schwester.
Nun kam der Abschlussball.
Wieder wurde, wie auch schon beim ersten Mal, gemeinsam eine Polonaise in den Raum hinein getanzt, ehe man sich in offenem Tanz weiter bewegen durfte. Es kamen diesmal fünf Tänze, die getanzt werden mussten, um zu zeigen, was man schon alles konnte.
Beim Foxtrott zog Hannelore kräftig am Arm ihres Partners, weil dieser sich nicht weiter drehen wollte. Ebenso war es beim Walzer und sie schob und schubste ihn mal nach rechts und mal nach links. Irgendwann passte ihm das nicht mehr und er zog sie so nahe zu sich heran, dass sie sich nicht mehr wehren konnte.
Das machte sie wütend.
Sie stieß ihn an und er musste sie plötzlich loslassen. Dabei verlor er die Balance und schlitterte zu Boden, während sie hin und her torkelte und ihr schließlich ein Absatz vom Schuh abbrach, die sie von ihrer Schwester bekommen hatte. Als Leihgabe. Schauerlich, alle hörten auf zu tanzen und bildeten einen Kreis um die beiden, während der eine oder andere fragte, ob sie sich wehgetan hätten. Hannelore hielt den Schuh in ihren Händen und die Mädchen riefen alle: „OH“. Einen noch längeren Augenblick blieb es peinlich still. Und dann fasste sich der junge Mann ein Herz und sagte laut und deutlich:
Ich glaube, ich muss den Tanzkurs nochmal wiederholen. Und Du auch!“
Er reichte ihr die Hand und beide marschierten beschämt aus der Gruppe raus. „Erdboden tu Dich auf,“ dachte sie. „Halt,“ rief da ihre Tanzlehrerin, „wir machen weiter und zwar mit Euch. Wir tauschen einfach. Du kriegst Henriette und ihr Partner kommt zu Hannelore.“ Und leise fügte sie hinzu: „Er wird sie schon zähmen.“ Mit hochroten Köpfen tauschten sie und so wurde weiter getanzt. Hannelore zog den zweiten Schuh aus, war jetzt viel kleiner als ihr neuer Partner und ließ sich brav führen, zumal er die ganze Zeit über lachte, bis sie irgendwann auch lachte und beide kaum noch aufhören konnten.
Für beide wurde es trotz allem eine wunderbare Freundschaft.
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