„Mama, schau mal, der Mann da guckt so böse,“ meinte die 6 jährige Hanna, als sie zusammen mit ihrer Mutter ins Patientenzimmer des Arztes ging, weil Frau Flügler, die Mutter des Kindes, den Arzt nach ihren Blutwerten befragen wollte. „Nicht so laut,“ flüsterte sie, „vielleicht hat er Ärger gehabt. Aber da spricht man lieber nicht drüber.“ – „Ja, warum nicht? Wenn ich ihn anschaue, dann krieg ich Angst. Dabei habe ich ihm nichts getan.“
Das hat auch sicherlich nichts mit Dir zu tun!“
„Aber vielleicht doch, Mama!“ – „Warum sollte er mit Dir böse sein? Du kennst ihn doch noch nicht mal!“
Nun wurde Frau Flügler aufgerufen, um zum Doktor ins Sprechzimmer zu gehen. „Bleib so lange hier sitzen, es dauert nicht lang und ich bin gleich wieder da!“ – „Nein, Mama, ich will mit Dir reingehen. Ich fürchte mich so alleine hier.“
Da sagte plötzlich der Fremde: „Ich bin doch auch noch da. Du brauchst keine Angst zu haben, denn Du bist nicht allein.“ – „Aber ich habe vor Dir Angst. Du schaust so böse!“ jammerte Hanna und lief ihrer Mutter hinterher. Der war es natürlich ziemlich peinlich und so nahm sie Hanna mit ins Sprechzimmer. „Warum hast Du so laut gesagt, dass er so böse schaut? Du solltest Dich nachher dafür entschuldigen.“
Da kam der Doktor schon herein , setzte sich in seinen Stuhl und meinte: „Kinder sagen in dem Alter immer die Wahrheit. Vielleicht hat sie einen Grund gehabt, warum sie nicht mit Herrn Schuster allein sein will!“
„Du kennst den Mann,“ fragte nun Hanna ganz überrascht. „Ja,“ antwortete der Doktor, „der kommt und holt sich nur sein neues Rezept. Der ist im Augenblick noch sehr traurig, weil sein Sohn gestorben ist. Drum sieht er so unglücklich oder wie Du sagst, so böse aus.“
Ach, das tut mir leid,“
antwortete die Mutter jetzt. „Ich dachte,“ meinte sodann der Arzt, „Sie Beide kennen sich. Er wohnt doch im gleichen Haus wie Sie.“
Frau Flügler sagte, dass sie den Menschen noch nie gesehen habe. Da lächelte der Arzt und meinte. „Ja, ja, wir kennen noch nicht mal unsere Nachbarn. Jetzt wirds aber Zeit. Augen auf im Alltag. Und Du, Hanna, gehst jetzt raus zu Herrn Schuster und bringst ihm dies Rezept von mir. Und dann schau ich mir inzwischen die Ergebnisse der Blutuntersuchung Deiner Mutter an. Okay?“
„Ja, das mach ich,“ antwortete die Kleine und lief nun unbefangen nach draußen, um Herrn Schuster sein Rezept zu geben. „Wo wohnst Du denn,“ hörte die Mutter sie noch fragen, dann klappte die Tür zu.
Heute sind sie alle miteinander befreundet. So kann es gehen, wenn der Tag achtlos und nicht mit Neugier und Freude begangen wird.
Das Leben ist schön und alles wird gut.
