Heute geht es weiter mit der Geschichte, die ich letzte Woche begonnen habe (hier geht es zu Teil 1).
Letze Woche erzählte ich, wie ich meinen Mann im Krankenhaus für eine Herzoperation abgeliefert und nach einem langen Fußmarsch eine Bleibe im Ort für die Nacht gefunden hatte. Am nächsten Tag begann ich dann meinen Fußmarsch zum Krankenhaus. Hier nun die Fortsetzung:
Nun muss man wissen, dass ich auf meinem rechten Ohr nicht hören kann, nur auf dem linken. Dass da jemand neben mir lief, bekam ich nicht mit, denn ich trabte mit gesenkten Kopf vor mich hin. Und er lief auf meiner rechten Seite. Offensichtlich grummelte er , denn etwas hörte ich über das andere Ohr und blickte auf. Da sah mich ein Mann an mit einer Fratze, die so voller Wut war, dass ich fast umgefallen wäre, so zitterten meine Knie.
Aber ich brüllte ihn an, warum er so unverschämt nahe neben mir ginge. Er solle sich aus dem Staub machen. „Ich frage Sie schon seit Ewigkeiten, ob Sie die Uhrzeit wüssten. Sie antworteten nicht. Das hat mich so wütend gemacht und beinahe hätte ich Sie jetzt auch noch gestoppt“. „Junger Mann,“ sagte ich und zog tief die Luft ein, um mich zu beruhigen. „Ich kann auf diesem Ohr nicht hören. Und, es hätte ja sein können, dass ich ganz taub gewesen wäre und Sie hätten mich in Ihrem Zorn umgehauen. Aber – ich habe außerdem auch keine Uhr! Zufrieden?“
Nun zottelten wir beide nebeneinander her. Wir hatten scheinbar das gleiche Ziel. Das Krankenhaus. Und siehe da, er ging nach rechts, ich geradeaus ins Hauptgebäude. Wie erstaunt war ich, als ich zu meinem Mann kam und genau jener Typ neben seinem Bett stand, den ich draußen auf der Strasse angegiftet hatte. Wenn das der Doktor sein sollte, der ihn operieren würde, so müsste ich sofort „Nein“ schreien, weil die Vorstellung grässlich gewesen wäre.
„Wer sind Sie denn,“ fragte ich wenig freundlich.
Und er antwortete: „Wenn dieser Mensch hier Ihr Mann sein sollte, so soll ich ihn gleich zur Untersuchung bringen.“ Sprach’s, setzte meinen Mann in einen Rollstuhl und fuhr los. ich rannte nebenher. „Ich bringe ihn nicht um, sondern nur in den Untersuchungsraum,“ grinste der Pfleger nun doch etwas, weil ich wie eine Furie misstrauisch gefolgt war.
Später brachte er meinen Mann zurück mit den Worten: „Sie sehen, ich habe ihn nicht umgebracht.“
Trotzdem blieb ich bis zum Abend immer wachsam. Am nächsten morgen wollte man meinem Manne den Herzschrittmacher einsetzen, so dass ich ein bisschen später ins Krankenhaus ging. Wieder der lange Weg durch das neblig feuchte Wetter und wieder diese unangenehme Einsamkeit.
Die OP sollte nach spätestens einer Stunde beendet sein. Es verging eine weitere Stunde und ich wurde unruhig. Dann endlich erschien der Arzt. Eine Krankenschwester schüttelte das Bett auf und legte meinen Mann behutsam ins Kissen zurück. Er sah blass aus, lächelte mich leicht an und döste dann vor sich hin. „Warum hat das so lange gedauert,“ fragte ich. Der Arzt, er war einer von den beiden Hochgelobten, der meinen Mann operieren sollte, meinte, dass es doch etwas schwieriger gewesen sei, weil nicht genügend Platz für den Herzschrittmacher gewesen sei, so dass sie einen etwas anderen Weg wählen mussten, um die OP erfolgreich zu beenden. Na, wie beruhigend.
Später im Laufe des Tages bekam er seine Tabletten gleich nach dem Essen, das er mit Heißhunger verzehrte. Er wollte es sich gerade noch einmal gemütlich machen, doch bevor er sich hinlegen konnte, wurde ihm schlecht und der helle Schweiß stand auf seiner Stirn. „Was hast Du,“ fragte ich und er konnte kaum antworten, denn er würgte und erbrach sich dann, während ich ihn hielt. Sein Kopf war eiskalt und die Augen lagen in ganz dunklen Höhlen. Ich lief vor die Türe und suchte nach Arzt oder Schwester. Es war eine Ärztin und ich sagte, sie möge doch bitte ins Krankenzimmer kommen, da mein Mann sich übergeben habe. Sie antwortete in gebrochenem Deutsch: „Nix is so schlimme, wie jammernde Patient.“ – „Mein Mann jammert nicht, er übergibt sich und es sieht aus als kollabiere er. „Meine Gute, meine Gute,“ lamentierte die Ärztin, aber sie folgte mir.
Mein Mann hatte inzwischen das restliche Erbrochene auf die Decke gespuckt und die Ärztin schüttelte leicht den Kopf. Da trat eine Lernschwester ein, weil sie Getränke bringen wollte. Und als sie sah in welchem Zustand mein Mann war, rannte sie gleich los und kam mit einem anderen Arzt zurück. Der schaute meinen Mann an, fragte nach den Medikamenten, überprüfte sie und meinte: „Wer hat die denn heute verteilt?“. Die Ärztin mit dem schlechten Deutsch meinte, sie habe das Gläschen mit dem Namen – und sie zeigte auf das Namensschild – an meinen Mann gegeben.
Unser Arzt zischte wütend, „Lernen Sie erst einmal lesen, das sind die Tabletten für den Nachbarn.“
– Fortsetzung folgt –
Bild: /Ana/ Flickr Lizenz: CC BY-ND