„Mama, verstehst Du das? Ich kann einfach nicht mehr dichten. Als ich 14, 15 Jahre alt war, konnte ich das noch so richtig gut. Ich war ein Poet! Jetzt bin ich 17 und nichts geht mehr!“ — „Kommt drauf an, was Du dichten möchtest!“ — „Irgendwas schönes für Moni. Die hat doch morgen Geburtstag!“ — „Ach, für Moni willst Du was dichten? Der solltest Du etwas Liebes schreiben. Du bist doch verliebt in sie! Und sie in Dich. Oder?“ — „Ja, klar!“
„Als Du noch etwas jünger warst, war Dein Herz oft schwer, Du fühltest Dich einsam und Du hast darüber ein Gedicht geschrieben. Man muss sagen, dass Deine Gedichte zum Teil ganz toll waren. Ich weiss, Herz reimt sich auf Schmerz. Und Du hattest viele Schmerzen im Herzen. Kummer macht junge Menschen oft zu Dichern. Auf diese Weise kann man sich gut ausdrücken.“
„Jetzt bist Du nicht nur verschossen — in Monis Sommersprossen — sondern es geht Dir um tiefere positive Gefühle und nicht um Weltschmerz, den wir auch alle hatten. Schreib ihr einen Brief und erzähle ihr, was sie Dir bedeutet und wie hübsch sie ist. Oder sowas! Aber nicht aufs Handy. In Monis Alter braucht man auch heute noch ein bisschen Romantik.“ — „Ach, Mama, das ist doch Quatsch. Und altmodisch dazu! Was soll sie mit so einem einfachen Brief, den jeder schreiben kann?“ — „Tja, einen anderen Rat habe ich nicht. Und Du willst doch nicht, dass ich ihr ein Gedicht schreibe.“ — „Okay, okay, ich überleg mir was anderes.“
Den ganzen Nachmittag über blieb Jan in seinem Zimmer und am nächsten Morgen ging er ohne Frühstück in die Schule.
Er war verdächtig still und in sich gekehrt.
Am Mittag kam er zurück, strahlte über das ganze Gesicht, futterte die doppelte Portion des Mittagmals und pfiff eine Schnulze vor sich hin, was so gar nicht zu ihm passte. Die Mutter blieb still und abwartend.
Er bereitete sich auf einige Arbeiten für die Schule vor und dann robbte er an ihre Seite. „Deine Idee war doch nicht so schlecht, liebe Mutter! Ich habe dem süßesten Mädchen einen echten Brief geschrieben, so von Hand und mit Füller. Sie war außer sich vor Freude, weil ich ihn mit der Hand geschrieben habe, sie umarmte mich dauernd, so schön fand sie das. Und natürlich auch, was ich geschrieben habe. Aber das behalte ich für mich. Naja, so manches Mal hast Du ja doch recht. Und ihr Frauen tickt alle ein bisschen anders als wir Jungs.“
Seine Mutter schmunzelte leicht vor sich hin und dachte: „Mit Romantik kenne ich mich noch immer aus. Die vergeht nicht und eine erste Liebe bleibt auch eine wunderbare Geschichte. Moni wird sich ihr Leben lang daran erinnern und diesen Brief aufbewahren. Vielleicht hatte Jan ihr auch noch ein Blümchen mitgebracht. Dann würde sie möglicherweise eines Tages diesen Brief mal wie durch Zufall auf dem Dachboden wiederfinden mit den getrockneten Blümchen dazu und einen Augenblick an Jan denken. Oder ihre Kinder könnten den Brief eines Tages dort oben ausgraben. Dann wüssten sie, dass ihre Mama auch mal geliebt wurde.
Nun lächelte sie zufrieden und sagte dann:
Wer schreibt, der bleibt!“
Es gibt doch Dinge, die sich nicht verändern. Und wenn es auch „nur“ die erste Liebe ist.
