Endlich vorbei!

Endlich konnten sich die beiden Freundinnen wiedersehen und umarmten sich das erste mal nach langer Zeit.

Beide hatten die zweite Impfung hinter sich und genossen diesen ersten Augenblick. 

Und dann, fast zur gleichen Zeit fingen sie an zu reden und jede versuchte der anderen den Vortritt zu lassen. Sie gaben schließlich auf und heulten fast, weil sie beide großen Kummer hinter sich gelassen hatten.

„Ich dachte, das sei mein Ende,“ weinte Susanne, „Ich war fast nicht mehr von dieser Welt. Ich hatte Fieber und unendliche Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Alpträume. Und anfänglich dachte ich noch, dass am nächsten morgen der Alptraum wieder vorbei wäre. War aber nicht so! Es hörte nicht auf und ich war so schwach, dass ich noch nicht mal jemanden um Hilfe bitten konnte. Kennst Du das ? Das sind Todesängste, die Du plötzlich hast! Diese Impfung sollte mein Schutz gewesen sein?

Und als ich dies dem Arzt berichtete, weil ich nicht wieder so schnell auf die Beine kam, sagte der nur:

Herzlichen Glückwunsch! Wunderbar! Gute Reaktion!“

Beate nickte die ganze Zeit und meinte dann leise: „Meine Tochter und ich wurden zur gleichen Zeit geimpft. Sie betreut mich und nur darum konnte sie die Impfung bekommen. Mir ging es nicht schlecht, aber ihr! Hast Du ein Gefühl, wie es Dir als Mutter geht, wenn Dein Kind sich wegen Dir impfen lässt und dann fast an den Rand des Todes kommt? Ich war schier am Verzweifeln. Nicht nur Kopfschmerzen, auch Luftnot hatte sie und ich konnte kaum zusehen wie sehr sie litt. Aber ich habe sie zu Hause bei mir behalten. Wenn sie wirklich sterben müsste, wäre sie nicht allein gewesen, sondern bei mir.“

Beide Frauen schwiegen eine ganze Weile immer noch der Erinnerung nach hängend, wie schlimm es gewesen war.

„So etwas vergisst Du nicht. Und wer weiß, was diese Impfung in Deinem Körper angerichtet hat: Weißt Du das?”

“Nein, Du hast recht, das weiß ich auch nicht. Ich will es auch nicht mehr wissen, weil es hinter mir liegt. Aber wenn sie jetzt auch noch unseren Nachwuchs impfen wollen, dann gehe ich auf die Barrikaden. Unser Hausarzt hat gesagt, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen seien und unter keinen Umständen geimpft werden sollten. Und ich hoffe, unsere Kinder tun das auch nicht mit unseren Enkeln.“

„Ja, das sehe ich genauso. Aber denk mal daran, wie sehr wir alle in Angst und Schrecken gejagt wurden. Und wer Angst hat, kann nicht mehr klar denken. Du willst schließlich das liebste, was Du hast beschützen.“

„Na , es gab aber auch genügend Leute, die nichts hatten. Die fragten mich später, was ich wohl falsch gemacht hätte. Oder meinten gar, dass ich zu empfindlich gewesen sei. Ich habe nur darauf geantwortet:

Vielleicht hat man Dir Wasser gespritzt!

Und sie sahen mich verschreckt an, als seien sie einer Verschwörung zum Opfer gefallen.“

„Ich habe meine Tochter in einem Zustand erlebt wie nie zuvor. Und das werde ich nicht vergessen. Ich danke Dir, dass ich so offen sein durfte,“ meinte Beate dann, „gleich holt sie mich wieder ab und dann fahren wir zu mir nach Hause. Sie ist mir noch wertvoller geworden. Man kann das liebste so schnell verlieren. Ohne Voranmeldung.“ – „Da hast Du recht!“, gab Suse leise zurück.

Es klingelte und Sabine betrat lächelnd den Raum. „Schön, Tante Suse, Dich endlich mal wieder zu sehen.“ – „Ach Kind, wie gut Dich mal wieder im Arm zu halten.“

Lange sah sie ihrer Freundin nach, als diese am Arm ihrer Tochter zum Auto ging.

„Das wichtigste ist ein starker Arm, der Dich stützt, wenn Du mal schwach bist. Dann hilft Dir keine Medizin und auch keine Impfung.“

Liebe hat Schwingen.

Liebe hat Schwingen