Da ich nie eine Grossmutter hatte, war ich immer sehr neugierig, was für eine Oma meine Mutter bei meinen Kindern sein würde.
Die ersten male, die Oma bei uns war, war sie ziemlich still und so kam es, dass unser grosser Sohn, damals fast 3 Jahre, wie selbstverständlich auf ihren Schoss kletterte und freiwillig blieb. Der kleinere
krabbelte auch rauf, rutschte aber sofort wieder runter. Das machte er überall , nur bei mir blieb er.
Oma wurde genau betrachtet und für gut befunden. Nach kurzer Zeit hiess sie nicht mehr Oma, sondern Oma Schnecke. Ihre Frisur sah von hinten wie die einer Schnecke aus und so blieb ihr dieser Name. Sie erzählte viele Geschichten und schnitt, wenn sie las, lustige Grimassen, was unsere Kinder sehr mochten. Auch hat sie gern mit den Jungs gebacken und gekocht.Und immer durften sie sich wünschen, was sie zu essen haben wollten. Nur wenn unsere Kinder sie mal auf die Wange küssten, meinten sie oft, dass ihre Haut schon ein bisschen schrumpelig sei. Ruthi würden sie lieber küssen, die sei noch weicher. Ruthi ist die Zwillingsschwester meines Mannes.
Da meine Mutter sehr eitel mit Haut , Falten und Schrumpeln war und sich auch gerne gut pflegte, fing sie nun an, die Wangen besonders gut zu cremen. Doch die Kinder blieben im Laufe der Zeit dabei, dass die Bäckchen so runzelig blieben. Auch bei der 100sten Frage von Oma Schnecke wollten sie an keine Besserung glauben.
Irgendwann gab Oma auf und fand sich damit ab, dass ihre Knusprigkeit nachgelassen hatte. Den Jungs war es egal. Sie freuten sich weiterhin, dass Oma spannend vorlesen konnte, dass sie viel Quatsch machte, den besten Kuchen, die besten Knippekuchen und die besten Frikadellen braten konnte- nach Mama.
Und mein lieber Mann? Der konnte machen was er wollte. Er war in ihren Augen der allerbeste!
Wir sind froh, dass es Oma Schnecke gegeben hat. Der Himmel hat lange auf sie gewartet. Sie wurde 93 Jahre alt. Viele Jahre hat sie unser Heinzelmännchen gespielt. Wir fuhren in den Urlaub und sie bewachte Haus und Hof, meist mit einer Freundin zusammen. Und wenn wir nach Hause zurückkehrten, hatten wir immer das Gefühl, sie habe unser Zuhause noch schöner gemacht. Unsere Hunde freuten sich wie verrückt, wenn wir zurück kamen, doch sie kuschelten sich sehr oft nah an Oma Schnecke, weil sie wussten, was sie an ihr hatten. Und wenn Oma Schnecke wieder nach Hause fuhr, hatten wir die Gefriertruhe voll mit Käsekuchen, Frikadellen und wunderbaren Eintöpfen.
Unser Schwager Harald liebte Oma Schneckes Frikadellen und in der Ferienzeit, in der wir weg waren, besuchte er Oma oft, um besagte Fleischpflanzerln aus der Frikadellenschmiede zu geniessen und Oma Schnecke geriet in Hochform.
Immer wenn sie Hamburg den Rücken kehrte, schleppte sie einen grossen Korb von vielen schönen Erinnerungen mit sich. Und überliess uns dafür den vollen Gefrierschrank. Mein Bruder holte sie mit meiner Schwägerin ab und Oma genoss, dass sie in einem Paradies gewesen war. Unser Haus war kein Paradies, aber sie hat es immer für eine Weile dazu gemacht.
Oma Schnecke.
Es leben alle Grosseltern dieser Welt ! Was täten wir ohne sie?