Es war noch früher Morgen und ich wusste, dass ich in einer halben Stunde aus dem Haus musste, weil ich einen Termin hatte.
Es schneite kleine niedliche Flocken, doch als ich gerade dick angezogen aus dem Haus spazieren wollte, konnte ich kaum noch die andere Straßenseite sehen. Die Flocken waren dick und wirbelten durcheinander.
Ich ging über die Straße, als ich endlich die Ampel wieder sah. Da es noch sehr früh war, befand ich mich fast allein auf weiter Flur und fühlte mich in Mantel mit Kapuze geschützt und ganz bei mir. Erst an der Straßenbahnhaltestelle standen ein paar Menschen, die von mir aber genauso wie ich von ihnen keine Notiz nahmen. Ich sah nur einige, die Probleme mit ihren Brillen hatten. Sie setzten sie auf und alle naslang wieder ab, weil sie immerzu ohne Sicht waren. Mal waren sie vom Atem beschlagen, mal setzten sich die Flocken auf die Brille.
Blöde Masken!!
Die Straßenbahn kam, wir stiegen ein. Ich hatte nur drei Stationen zu fahren, musste aber hinterher noch ein ganzes Stück laufen, um zu dem Gebäude zu kommen, wo ich hin wollte.
Also stürzte ich mich wieder ins wilde Wetter, welches mittlerweile in der Tat Windstärken erreicht hatte, die mich leicht taumeln ließen. Doch als ich zwischen den Häusern meinen Weg weiter ging, wurde es windstill. Ich erreichte den kleinen Park, Schnee und Wind ließen nach und ich schaute auf die schönen Büsche, die kleine Häubchen aus Schnee auf dem Busch hatten und vermutlich tapfer ihre Blüten festhielten. Der Forsythie gelang es ganz gut, während der kleine Magnolienbaum eine Blüte nach der anderen fallen ließ und die früh blühende Kamelie ihre Blüten braun färbte ohne sich gleich von ihr zu trennen. Auch die Winterheide konnte man in ihrem lila Kleid fast nicht erkennen, weil sie Schnee beladen war. Kein Vogel weit und breit und ich wieder ganz bei mir und fast ohne Gedanken. Geht das? Nein, das geht nicht. Auch wenn man denkt, dass man nicht denkt, denkt man. Mein Gott wie wird man komisch in diesen Coronazeiten.
Endlich war ich am Gebäude angekommen. Ich ging hinein, um zu schauen, wo das Zimmer war, in das ich bestellt wurde. Da saß ein Mann in seinem Kapeuzchen, der Auskunft geben konnte.
Wo ist Zimmer Nr. 47 bitte,“
fragte ich und er gab zur Antwort: „Gleich im ersten Stock. Aber heute ist niemand da .“ – „Wieso nicht, ich bin doch herbestellt worden,“ gab ich zurück. „Das glaube ich gerne, aber nicht für heute, schauen Sie mal auf das Datum. Heute ist ein Feiertag: „Ostermontag!“ – „Ostermontag?“ – „Ja, junge Frau!“ – „Na, dann muss ich wohl bei diesem Mistwetter wieder nach Hause gehen!“ – „Ja, das scheint mir auch so!“
Für fünf Minuten setzte ich mich auf einen Stuhl, um auszuruhen, verfluchte mich selbst, weil ich so geschlafen hatte und machte mich dann auf den Weg zurück nach Hause. Wieder durch den Schneesturm und wieder eingemummelt bis oben hin.
Doch allmählich ließ der Schnee nach und rieselte nur noch sanft nieder, so dass ich anfing mir zu verzeihen und genoss den Weg zurück zur Straßenbahn. Und am Ende auch wieder mein Zuhause.
In Gedanken hatte ich eines meiner Bilder, das ich gemalt hatte, in meinem Kopf. Das hieß: „Getragen“. Ein kleines Kind wird von seiner Mutter getragen. Und genau dies hatte ich mir die ganze Zeit gewünscht: Auch mal wieder wie ein Kind getragen zu werden.
Alles ist gut
