Grossmütter—im Wandel der Zeit

Vor hundert Jahren starb unsere Urgrossmutter. Sie war eine sehr liebe Frau, erzählte man uns. Sie arbeitete viel und erzog ihre Kinder, kochte das Essen auf Kohle und Holzfeuer und musste ständig sehen, dass es von allem genug gab. Sie wusch die Wäsche noch mit der Hand. Auf einem Waschbrett wurden die Unterhosen und Hemden gerubbelt und bei jedem Wetter später im Freien aufgehängt.Nur zu Silvester durfte die Wäsche nirgendwo aufgehängt werden, denn man glaubte, dass sich dazwischen die Geister verstecken könnten. Nebenbei strickte und häkelte sie die Pullis und Strümpfe für ihre Familie und alles hielt schön warm. Doch noch meine Mutter erzählte uns, wie sehr die Wolle auf ihrer Haut kratzte und scheuerte, denn auch sie mussten noch das eine oder andere Teil anziehen, bis es nicht mehr zu flicken war.

Die Wohnung wurde jede Woche zur gleichen Zeit gereinigt, gewischt und der Fussboden gewachst. Wenn die Familie nach Hause kam, konnte schon jeder riechen, dass wieder Reinemachtag war.

Und heute? Wir Omis, die wir schon Rentner sind, haben es meist nicht nur viel besser, sondern schon richtig gut.  Wir stellen die Herdplatte an und mit Zauberhand wird die Platte fast von alleine warm für das Essen. Keine Kohlen müssen mehr geschleppt werden, meist häkeln, stricken oder nähen wir zu unserem Vergnügen oder für unsere Kinder und Enkel. Wir müssen nicht mehr unserem Ehemann gehorchen- unsere Gross-und Urgrossmutter musste das noch—und wir freuen uns, weil es auch endlich den Feierabend für uns gibt. Und den können wir meist auch richtig geniessen. Die Enkel dürfen wir lieb haben und müssen mit denen nicht mehr so streng sein wie mit unseren Kindern.

Oft wird gesagt, wie schön die früheren Zeiten waren. Ich bin sicher, wenn unsere Uromi auf Wolke sieben sitzen und zu uns runterschauen könnte, sie würde sagen: „Freut Euch des Lebens.“