Großmutter allein zu Haus

Die Kinder und Enkel sind in die Ferien gefahren und ich bin zu Hause und darf die Hunde und Vögel beaufsichtigen. Ist das nun ein sozialer Auf- oder Abstieg, nachdem es früher die süßen Enkel waren, die wir hüten durften. Ich denke, es ist eine große Verantwortung, die ich nun zwei Generationen gegenüber habe: Den Kindern und den Enkeln.

Kann sie das noch? Hat sie die Hunde noch im Griff oder die Hunde sie?

Nachdem sich nun die beiden Hunde wieder gut bei mir eingefunden hatten, fingen sie auch gleich an, wieder miteinander zu toben, der acht Jahre alte „Quer durch den Garten“ gemischte Rusty und die leicht degenerierte 3 Jahre alte französische Dogge Mimi. Das sieht zu komisch aus. Wenn man den Gesichtsausdruck von Mimi sieht, meint man, dass das Leben ein Drama sei. Und nur ihre Behändigkeit, wie sie um Rusty rumspringt, zeigt, wie viel Spaß es ihr macht zu leben. Und Rusty zeigt ihr, wenn er keine Lust mehr hat zu spielen. Er zieht die Nase kraus. Doch mitten in diesem Tanz erstarrt er und er erinnert sich sofort an die Mäuse, die er noch gestern Abend vorher stundenlang verfolgte. Mimi interessiert sich nicht für die Mäuse. Oder doch? Manchmal ja, manchmal nein.

Typisch Weibchen!

Heute morgen war mal wieder so ein Moment, wo Rusty schnell in den Garten laufen wollte, um die Mäuse aufzuhalten. Im letzten Augenblick hielt er inne, weil er das Gitter vor der Verandatür fast vergessen hatte. Er bremste scharf. Doch da Mimi sofort hinter ihm herlief, aber nicht mehr stoppen konnte, krachte sie auf Rusty und beide fielen durch das Gitter. Einen Moment waren sie verstört, als das ganze Gitter auf sie fiel. Aber Rusty hatte die Mäuse nicht vergessen und schob sich schnell durch das  Gitter und sprang behende in die Spur der Mäuse, während Mimi völlig verwirrt um sich sah. Was war ihr da passiert?

Dann machte sie sich platt und schob sich ebenfalls unter dem Gitter durch, bis sie wieder frei war. Ihr schien der Spaß vergangen zu sein und so trabte sie irgendwo in den Schatten, Hauptsache, wo ihr nichts mehr drohte an Ungemach. Unser Nachbar half mir das Gitter wieder aufzustellen und so konnte keine aufgescheuchte Maus in unser Haus laufen.

Wenn die Hunde am Abend fressen wollen, hole ich wie immer zuerst das Futter für Mimi aus dem Regal. Sie bekommt Trockenfutter, welches aussieht wie Spielzeug-Plättchen oder Styropor-Stückchen. Sie fraß und frisst es immer in Sekundenschnelle auf. Mittlerweile fülle ich den zweiten Fressnapf für Rusty und er bekommt Hunde-Fleischmatsch. Wann immer Mimi sieht, dass ich Rustys Futter raushole, ist sie schon wild, weil sie das ebenfalls fressen möchte. Bevor ich den Napf für Rusty auf den Boden stelle, schnappe ich Mimi und nehme sie schmusend mit zum Sofa, während Rusty genüsslich über dem Napf hängt. Kaum hat er sein Fressen aber zu sich genommen, was er langsam und gemütlich verspeist, ist Mimi kaum noch zu bremsen und ihr läuft das Wasser aus dem Maul. Ich schaue gerade noch, ob auch nichts mehr im Pott ist und dann gibt es für Mimi kein Halten mehr. Sie steigt über den Pott, rennt um den herum und ist maßlos enttäuscht, weil nichts mehr da ist. Oder wenn noch etwas drin wäre, würde ich immer den Topf wegnehmen, bevor Mimi fressen kann. Das habe ich jetzt alles gut im Griff.  Die beiden Hunde sind anschließend erschöpft vom Kampf oder Verzicht, Rusty ruht sich aus und Mimi schnarcht laut vor sich hin.

Und das klingt so gemütlich, dass ich gleich mit schlafen gehe.

Unsere Nachbarin kommt zu mir und wenn sie kommt, hat sie manchmal Leckerlis dabei. Da sie mir aber heute nur etwas zeigen will, laufen beide Hunde an ihr vorbei in ihre Wohnung, die auf gleicher Höhe liegt wie meine. Die Türe ist offen und so läuft Mimi vorweg. Frau Winter nimmt mich mit, weil sie mir ihre gestrickten Tiere zeigen will. Also laufen wir zusammen zu ihr. Plötzlich meint sie, dass sie ihre Türe offen gelassen habe und hofft, dass Mimi nicht auf den Tisch springen möge. Ich erhöhe mein Tempo und sehe gerade noch wie sie vom Tisch springt. Nachdem sie festgestellt hatte, dass nichts im Abfalleimer für sie zu finden sei, sprang sie auf den Tisch, der so Verlockendes anzubieten schien. Ein Schüsselchen mit Johannisbeeren in Joghurt schluckte sie, um  anschließend ein Glas mit duftenden Leckerlis umzustürzen, an die sie nicht dran kam, weil die Schnauze zu breit war. Also warf sie das Glas um in der Hoffnung, dass die Leckerlis raus fallen sollten. Schlau! Aber Unglücklicherweise rollten die unter den Schreibtisch, dessen Beine zu niedrig waren, so dass sie nicht drunter kam.

Rusty war ebenfalls ganz scharf auf die Leckerlis, jedoch nicht so hemmungslos hungrig wie Mimi. Er saß die ganze Zeit  auf dem Boden, wackelte mit dem Schwanz und hoffte auf den duftenden Braten, der maximal einen halben Zentimeter groß war. Und als ihm der nicht sofort angeboten wurde wegen Mimis chaotischer Unordnung, die sie gemacht hatte, stieß er abwechselnd unsere Nachbarin und mich an.

Ach, gebt mir doch das Stückchen. Ich bin doch so bescheiden.“

So gingen und gehen die Tage dahin. Jeder immer wieder neu und anders. Und oft noch mit ein bisschen Körpereinsatz.

Auch unsere Wellensittiche wollen angesprochen werden. Sie sollten lernen „Habt euch lieb,“ hatte mir unsere Enkelin noch als Auftrag mitgegeben und so gab und gebe ich denen täglich eine kleine Lehrstunde. Aber ich muss sagen, die unterhalten sich lieber miteinander. Jedenfalls schienen und scheinen sie nicht allzu viel von meinen Sprachübungen zu halten. Doch ich gebe nicht auf. Ich muss nur aufpassen, dass die Hunde nicht in den Raum kommen, in dem die Vögel zwitschern und rumfliegen können. Beide würden  sonst auf die Idee kommen ihr Maul aufzureissen, um sie zu verspeisen. Das wäre fatal!

PS: Heute zieht unsere finnische Familie hier aus und Rusty fühlt, dass er uns beschützen muss, weil es überall rumpelt und donnert. Und am Donnerstag zieht die neue Familie ein, dann wird es wieder rumpeln. Und Rusty wird wieder versuchen uns zu retten. Er wird also bellen und bellen. Momo wird dann das Echo sein, etwas leiser und auch heiserer.

Aber Bellen.

Oh, Gott und unsere armen Rentner hier im Hause werden gestört. Und jetzt muss ich sagen: Großmutter allein zu Haus. Wer verteidigt mich vor den Rentnern? Habe ich die Hunde nicht im Griff. Und die Vögel vielleicht auch nicht, denn die zwitschern zu laut?!