Damit Sie wissen mit wem Sie es zu tun haben

Ich heisse Heidi Jastram.

Ich bin nicht nur die Tochter von liebevollen Eltern, sondern auch die Enkelin von einem wunderbaren Grossvater mütterlicherseits. Er wurde in der in Glashütte Ziegenhagen Hessen 1869 geboren und er begann schon sehr früh sich ebenfalls in dieser Kunst zu üben. Auf seiner sehr jungen Wanderschaft kam er nach Böhmen, um dort ein paar Jahre dieses Handwerk zu erlernen, wie man es zu jener Zeit machte.

Danach ging er für einige Zeit nach Wien zu einer Firma Lobmeier und fühlte sich dann gerüstet nach Kassel zurück zu kehren, um Glasgravuren zu schaffen. Zunächst machte er ähnliche Dinge wie alle anderen in den Jahren des Jugendstils mit Hirschen, Rehen und den üblichen verträumten Landschaften. Weingläser, Sektgläser…

Dann entdeckte er das Portraitieren und schaffte wunderbare Gesichter. ich erinnere mich noch an einen Glasklotz, in den er von hinten ein Gesicht hineinarbeitete. Es fühlten sich die bearbeiteten Stellen so unterschiedlich an. Manche Stellen waren weich wie Samt, andere scharf und kantig.

Ich erinnere meinen Grossvater nur eine einziges Mal. Nämlich an den Tag, wo er unser kleines Dorf verliess, um in Kassel seine Kunstwerke und Bilder vor den Flammen des Krieges in Sicherheit zu bringen.

Er hatte graue Stoppelhaare und sah unerhört stark aus. Er hatte einen sehr geraden Rücken und beugte sich tief zu mir hinunter, um sich von mir kleinem Wesen, ich war 2 Jahre alt, zu verabschieden. Er sagte nur, während er mir übers Haar strich: „Sei schön brav zu deinen lieben Eltern“: Dann schloss er leise die Tür. Ich könnte diesen Moment noch heute nachzeichen, wie seltsam.

Ich habe keine Ahnung, warum diese kleine Scene so nah in mir war und blieb. Er hatte etwas in mir berührt in dieser hektischen Zeit, wo 1943 überall die Bomben auf Deutschland fielen.

Mein Grossvater kam nie zurück. In der Bombennacht 1943 starb er in Kassel.

Ich bin so stolz auf meinen Grossvater und das sind auch meine Wurzeln. Er wurde in seiner Zeit hochgelobt, bekam viele Auszeichnungen und arbeitete für Fürsten und Könige. Mit seinen Arbeiten galt er in der Wilhelminischen Epoche als einer der bedeutendsten Glasschneider.

Meine Mutter erzählte viel von ihm, besonders, da er seine Frau schon verlor, als meine Mutter 4 Jahre alt war. Er hatte 4 Kinder, die er allein versorgte, die alle studierten. Er arbeitete dafür sehr hart.

Er war ein Gesundheitsfanatiker und wandte Kneipp in allen Situationen an, weil er den Ärzten nicht immer so ganz traute. Ich glaube, daher ist meine Mutter auch so eine starke Frau geworden und wurde 93 Jahre alt. Ihr Beruf war Opernsängerin und wir Kinder lebten durch sie und meinen Vater ständig in irgendeiner Oper oder Operette.

Ich weiss nicht, ob es allen meinen Geschwistern so gefiel. Aber ich fand es wunderbar, wenn sie ein Lied schmetterte und die Töne über die Trümmerfelder klangen und wir alle stillhielten vor ihrer Kraft und Lebensfreude: der Krieg war aus und wir alle hatten – bis auf ihren Vater – überlebt.

Meine 4 Geschwister und der Rest der Familie richteten sich nun zwischen den Trümmer, Mäusen und Ratten wieder vom Land in die Stadt kommend ein. Es war endlich Frieden im Land.

Und unser Leben konnte beginnen.

Genau 100 Jahre und 21 Tage später (nach Grossvaters Geburt) wurde unser erster Sohn geboren!!!