Jugendfreunde

Während ich meine letzten Bilder und die dazugehörigen Fotos sortiere, fällt mein Blick auf ein ganz besonderes Bild. Ein Bild über eine lange, kurze Freundschaft und den frühen Abschied von einem jungen Mädchen, das wir für immer in unser Herz geschlossen haben. Es ist eine kleine Szene, die ich einst malte, weil ich diesem Mädchen für immer einen Platz in unseren Herzen geben wollte.Der Schmerz war damals unendlich groß, als ihr ein Unglück passierte und sie von uns ging. Ich sehe sie noch heute in der Gruppe ihrer Freunde und einem rothaarigen Mädchen, wie sie lachte, wie sie stritt oder einfach nur ohne Hemmung redete und redete. Mir wird warm ums Herz, dass wenigstens dieses rothaarige Mädchen im Leben dieser Jungs noch immer eine Rolle spielt. Nicht mehr eine so große, aber groß genug, um einander zu fragen: „Weißt Du noch, erinnerst Du Dich …“, und der andere würde antworten, „Na klar, das erinnere ich genau“, was immer es auch war… Wie vor 45 Jahren.

Da gibt es noch ein anderes Bild, welches ich malte, weil unsere Kinder mit diesem kleinen, blonden, frechen, daumenlutschenden Mädchen auf unserem Sofa saßen und sich die Sesamstraße anschauten, nachdem sie den ganzen Tag im Garten gespielt hatten. Besonders die Sandkiste war die größte Erfüllung ihres Lebens, denn sie war so groß, dass alle drei sich darin eine eigene Burg bauen konnten. Welch ein Theater, wenn sie erst einmal wenigstens abgebürstet und vom Sand befreit die Sesamstraße gucken durften. Eine Freundschaft, die immer wieder auflebt, bis heute, fünfzig Jahre später. Und das Bild waren drei aneinander gekuschelte Kinder.

In der letzten Ecke neben meiner Erinnerungskiste mit vielen Briefen, Geschichten und Zeichnungen steht ein Bild, das ich nicht fotografiert habe, weil es schlecht, ganz schlecht ist und zu den ersten Bildern meiner auf Holz malenden Zeit gehörte. Doch bis heute kann ich das Bild nicht wegwerfen. Es wabern die Erinnerungen… Da sind unsere Kinder drauf und dazu kann man noch einen Jungen sehen, der vielleicht 13 oder 14 Jahre alt ist, während unsere damals 4 und 5 Jahre waren. Dieser Nachbarsjunge kam sehr oft und gerne in unseren Garten, um mit den kleinen Kindern zu spielen. Ich fand das so toll und genoss, dass sie nun noch ein bisschen einen großen Bruder hatten. Seine Mama fand das überhaupt nicht gut, dass dieser große Bursche mit den Kleinen spielte. Und sein Bruder konnte uns alle nicht leiden.

Der Nachbarsjunge baut ein Baumhaus

Aber unser Nachbarsjunge war so geduldig und nett, dass ihn bald unsere ganze Familie liebte. Als die Kinder größer wurden, dachten wir über ein Baumhaus nach. Das wurde nun das Projekt unseres Freundes mit den Kleinen. Dass das Haus dann neben dem Baum entstand, war kein Problem. Der Garten war schließlich groß genug. Dieser Junge blieb uns, bis er erwachsen war und behielt bis heute einen großen Platz in unseren Herzen. Ich habe keine Ahnung, warum er eines Tages ganz einfach weg blieb und nie wiederkam. Ich hätte ihn gern als Vater erlebt, denn als solcher ist er vermutlich ein Prachtexemplar geworden. Ich hörte nur mal ganz kurz etwas von ihm und dann war nur noch Stille. Wie schade. Aber auch das muss man unter Freunden akzeptieren. Und darf nicht maulen. Ich erinnere nur, es war einfach wunderschön mit ihm und wir waren alle ein bisschen wie auf einer Insel.

Manche dieser Sandkasten- und Kinderfreunde haben unsere Kinder zu den Paten ihrer Kinder gemacht, halten die Verbindung, besuchen sich wo immer es auch geht, selbst in fremden Ländern, wenn sie mal in der Nähe der Freunde sind.

Ich finde es besonders beglückend, weil es in unserer Kindheit nicht so etwas wie Beständigkeit mit Freunden gegeben hat. Das fing erst viel später an, als wir schon im Gymnasium waren. Die Kriegs- und Nachkriegszeit hat uns alle mal hierhin oder an andere Orte geführt, um endlich wieder etwas aufbauen zu können oder gutes Geld in einer anderen Stadt zu verdienen.

Es stehen noch viele andere Bilder im Atelier herum. Aber ausgerechnet diese wenigen lassen mich auch heute noch ein bisschen träumen, als unsere Kinder noch im Paradies lebten — oder wir! Und es wird mir ein wenig traurig zumute, weil die unendliche Zeit, die wir miteinander hatten, plötzlich so geschrumpft ist.

Es gibt nur noch die Erinnerung — und den Augenblick. Und manchmal eine kleine Träne.