Immer, wenn ich im Augenblick nicht dazu komme, weiter meine Malversuche zu starten, begebe ich mich an meinen Schreibtisch und sortiere Bilder und Fotos für mein Erinnerungsbuch.
Und dabei bin ich doch ein gesegneter Mensch, der viele schöne Erinnerungen hat. Besonders an meine Kinder, an die Freunde unserer Kinder und der Nachbarskinder, die oft kleine Stippvisiten bei uns machten, erinnere ich mich. Unser Haus hatte sogar den Ruf, dass man bei uns seine Kinder angeben könne und so passierte es des Öfteren, dass Kinder vor der Haustüre aus den Autos ihrer Mütter gelassen wurden, um in unser Haus zu kommen. Und mehr als einmal passierte es, dass ich gerade mit unseren Kindern weggehen wollte und plötzlich stand ein Kind da, aber das Auto der Mutter war schon weg. Was sollte ich dann tun?
Ich habe glückliche Erinnerungen, auch angefangen bei meinen Nichten, die mir allesamt das Leben schon reich gemacht haben, als ich noch keine eigenen Kinder hatte…
Und weil das so war, fingen wir an, Feste zu feiern, weil Kinder das mögen.
Das Fest des Spielens,das Fest des Helfens, der Tag mit den Nachbarn, Ostern, der Tag der offenen Tür, das Hundefest, als unsere Hündin Junge bekam, der Mal- und- Basteltag, das Weihnachtsbasteln, Geburtstage und mehr…
Wolfi, einer unserer süßen kleinen Nachbarjungs, hatte mir ein Geschenk mitgebracht und als ich das Papier auswickelte, lag darin eine Keramikplatte, die er mit einem Auto und einer Sonne geschmückt hatte. Alles selbst gemacht! Erwartungsvoll sah er mich an und ich drückte ihn einmal kurz wie Kinder dies eigentlich nicht mögen und flüsterte ihm zu, dass ich noch nie etwas so schönes bekommen habe, während seine Mama mir kurz darauf ebenso etwas zu flüsterte, ich aber nicht verstand. Ich wandte mich ihr zu und fragte sie nochmal, was sie mir gesagt habe. Darauf antwortete sie leicht verlegen, dass sie es schön fände, wenn ich eines Tages das kleine Relief nicht mehr haben wolle, sie es gerne wieder zurück nähme. Sie fand es genauso schön wie ich. Und da Wolfi es mir schenken wollte, verzichtete sie darauf.
Ich war sehr gerührt, denn ich hob jedes bisschen, was meine Kinder gemalt oder gebastelt hatten, auf, weil ich ihre Arbeiten sehr liebte und sie natürlich auch. Also hing ich Wolfis kleines Relief sichtbar für alle zwischen meine Bilder. Kinder brauchen Anerkennung. Von den Eltern und auch von den Beschenkten. Außerdem war es nicht geschwindelt, denn ich mochte dieses niedliche Relief.
Mehrfach hat es dann mal den Platz gewechselt, wenn ich meine Arbeiten neu an den Wänden arrangierte. Und jedes Mal entschied ich mich, dieses kleine, große Geschenk wieder zwischen die Bilder zu hängen.
Dann passierte das Schreckliche — Jahre später — und ich erinnerte mich noch immer an die liebevolle Bitte unserer Freundin, ihr Wolfis Geschenk zurückzugeben — da fiel es runter auf den Boden. Ich erschrak so heftig und hatte Tränen in den Augen. Dann fragte ich meinen Mann, ob er mir dieses wertvolle Geschenk neu zusammenkleben könne und er meinte:
Ich glaube schon!“
Es sah wieder gut aus, als er die Arbeit beendet hatte und ich war glücklich, wie über einen großen Schatz. Auch wenn es jetzt ein verwundeter Schatz war.
Wir sind umgezogen, leben heute in einer anderen Stadt und noch immer habe ich dieses kleine Bild hier bei mir und vergesse nicht, es von Zeit zu Zeit länger anzusehen. Ich erinnere mich dabei an den kleinen Jungen, der mir dies vor mehr als 30 schenkte, seine blonden Haare, seine roten Bäckchen und die blauen Augen, mit denen er mich so strahlend ansah. Es hängt jetzt auf dem Treppenabsatz und die süße Mama von einst lässt es mir sicherlich noch ein bisschen.
Wolfi war es auch, der mir ein wunderschönes Bild malte, weil er sich über ein Fest bei uns gefreut hatte. Anfänglich hing dieses Bild bei uns in der Küche an der Pinwand, weil der Text so lustig geschrieben war. Später, weil die Filzstifte zu sehr verblassten, packte ich es in mein Foto- und Bilderbuch, weil es sonst gar nicht mehr zu lesen wäre. Er bedankte sich für den schönen Tag. Und wie er das Wort „Gespenster“, welches in dem Text vorkam, schrieb, werde ich nie wieder so unschuldig und wundervoll bekommen:
Geschpentzster.“
Erinnerungen… sind Wärmflaschen fürs Herz!
