Seit meine Kinder aus der Schule sind, meine Enkel im Gymnasium, habe ich kaum noch ein Zeitgefühl dafür, dass es auch weiterhin noch Schulanfänger gibt. Doch wann war das eigentlich nochmal?
Na, ich brauchte die letzten Wochen wieder mal auf diesem Gebiet ein paar Anstöße, ehe mir auffiel, wie viele Mütter Schultüten schleppten, schicke in der Modefarbe lila,wunderschöne handgebastelte, billige oder fantasievolle, während die Kinder nebenher liefen und sich von Zeit zu Zeit irgend etwas Leckeres aus der Tüte angelten. Also, nun war mir klar: unsere Erstklässler sind wieder dran. Und was ich später in der Zeitung las: Es gab fast noch nie in den letzten 25 Jahren so viele Neulinge wie in diesem Jahr. Na, vielleicht war das auch der Grund, warum ich eben jetzt auch endlich bemerkt hatte, dass so viele „Tüten“ rumliefen.
Es waren zum Teil auch nicht nur die Süßigkeiten, die sich der eine oder andere Schulanfänger aus der Tüte holte!
Nein, ich sah auch, wie das eine oder andere Mädchen sich Schmuck aus der Tüte geangelt hatte oder eine schicke Bluse oder Jacke. Ein Junge schlüpfte gerade in neue Turnschuhe rein mit einem ganz bestimmten Label und strahlte über die Maßen, was für tolle Sachen da noch kommen würden. Doch als er auf dem Grund der Tüte angekommen war, gab’s auch keine Zuckersachen mehr und der Kleine schaute grimmig einher, als er sah, dass andere noch immer im Trüben, sprich in der Wundertüte fischten, und noch mehr herausholten.
Ich dachte daran, als ich vor 77 Jahren in die Schule kam, da gab’s noch nicht mal eine klitzekleine Tüte. Ich meinte, allein mein Schulranzen mit Schultafel, Schwamm, Lappen und Kreide sei das Geschenk gewesen. Und vor allem, dass ich jetzt ein großes Mädchen war. Mein Schulranzen sah auch schön aus, doch er kratzte immer auf meiner Haut, jedenfalls den ganzen Sommer lang, weil wir dann ärmellos waren und der Ranzen so hart.
Aber das ist eine alte Geschichte.
Ich blickte dieser Tage wirklich in viele Gesichter, die strahlten und andere, die maulten. Und es gab auch solche, die nur eine ganz kleine Tüte hatten, aus der ein Teddybär blickte und Platz für mehr war nicht da. Der Kleine, den ich meinte, drückte das Stofftier an sich und schloss freudig die Augen für einen kleinen Augenblick. Dann lächelte er seine Mama an und sie strahlte zurück.
Ich öffnete meine Einkaufstasche, in der ich ein paar Leckereien für die Enkel eingekauft hatte, blickte die Mutter des Kleinen mit meinen Tüten in der Hand fragend an, dann ließ ich meine Süßigkeiten leise in die Tüte des Kleinen gleiten. Er bemerkte das nicht.
Doch als er den Teddy einmal kurz abgeküsst hatte, steckte er ihn wieder in die Zuckertüte und bemerkte die Süßigkeiten. „Oh, Mama, was ist denn das? Ist das auch für mich? Oh, so toll!“ Die Mutter konnte nur nicken und ich ging ganz schnell davon, weil ich eine Träne verdrücken musste.
Das Leben ist schön und alles wird gut.
