Seit vielen Tagen war Alois nun schon dabei das Kochen zu erlernen. Als er mit Sofia das letzte mal gemeinsam eine Suppe gekocht hat, war es eine eigentlich leckere Erbsensuppe. Aber irgendetwas stimmte im Geruch nicht und auch der Nachgeschmack war ziemlich komisch, um nicht zu sagen schlecht. Und als Alia schließlich fragte, was die Suppe so unangenehm gemacht habe, gestand der Großvater, dass er das Essen hatte anbrennen lassen. Das wäre ja eigentlich noch gar nicht so schlimm gewesen. Wenn er den Topf mit der Suppe gewechselt hätte und das, was am Boden des Topfes war, am Boden gelassen hätte. Aber er war gründlich und kratzte alles vom Boden ab und ließ es als Geschmacksverstärker in der Suppe. Für ihn war es das Gewürz der Seligen, weil es vielen Menschen passierte, dass etwas anbrannte. Für Alia eine kleine Strafe Gottes am Essen, weil der Großvater nicht aufgepasst hatte. Aber der war sich keiner Schuld bewusst, weil er des öfteren die Suppe in dieser Geschmacksrichtung essen musste, als er noch Kind war.
An einem weiteren Tag durfte er sich ein Essen wünschen, weil er Geburtstag hatte. Sofias Kopf rauchte schon vor lauter Nachdenken, was sie mit und für ihn kochen wollte. Doch Alois mochte nur Reis mit Zucker und Zimt. Dazu viele kleine Schüsselchen mit verschiedenen Zutaten, die man während des Essens in den Reis reinmischen konnte. Das waren Apfelmus, flüssige Schlagsahne, heiße Butter, verschiedene Nüsse, eine Scheibe Ananas, Zucker mit Zimt und ein Töpfchen mit geschlagener Sahne, die man am Ende unter den Reis zog, ganz vorsichtig, damit die Sahne noch als geschlagene Sahne zu erkennen und zu schmecken war.
Das war wirklich das schönste Geburtstagsgeschenk für Alois.
Und allmählich erkannten Sofia und Alia wie tief die Sehnsucht seiner Kindheit in Alois steckte. Besonders Sofia begann darüber nachzudenken und ihn zu fragen, welches seine schönsten Kindheitsgerichte waren. Und als er anfing sie aufzuzählen, verabschiedete sie sich von Pasta und vielen anderen italienischen Gerichten, weil sie mit ihm fühlen konnte. Sie lebte nun in Deutschland und hatte immer Lust auf italienisches Essen. Und Alois hatte nur seine Kindheit, seine Jugend und sein Leben als Maß aller Dinge.
Und so begann sie im Internet und auch in alten Kochbüchern nach den Namen der Gerichte zu suchen, die er genannt hatte.
Zum Beispiel “Grüne Soße”.
Schon wenn er das Wort aussprach, lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Sein Gesichtsausdruck wurde weich und ein kleines Tränchen rann über seine Wange. Sofia umarmte ihn und sagte sehr liebevoll: „Alois, wir beide holen Kinderzeit zuruck in unsere Leben. Du und ich! Mit Espagetti und grune Sosse und Kräuterhaupt.“ Und Alois konnte nur nicken vor Rührung. „Allerdinges mussen wir Alia das sagen, dass wir unser Kinderzeit wieder begrussen wollen. Sie hat dann vielleicht auch eine Kinderwunsch?! Was denke Du?“ – „Das ist die beste Idee, die Du je hattest: einen Italien-Tag, einen deutschen Memory Day und einen Kindertag. Abgemacht!”. Er klatschte gegen ihre ausgestreckte Hand und freute sich.
Der Tag kam, an dem sie “Grüne Soße“ machen wollten. Auf dem Marktplatz sammelten sie die Kräuter zusammen, womit die Soße grün gemacht werden sollte.
Krause Petersilie, Schnittlauch, Kerbel, Sauerampfer, Kresse, Pimpernelle und Dill oder Estragon. Von jedem ein Bund.
Dann besorgten sie noch saure Sahne und Crème Fraîche. Den Rest hatten sie zu Hause.
Zuerst musste Alois die ganzen Kräuter gründlich waschen und anschließend zum Trocknen auf Küchenpapier legen. Erst dann holte er nach Sofias Anweisungen alles auf den Tisch, was er brauchte.
Hande waschen und dann wie immer gute durchatmen und los geht!“
Sofia wollte wieder ein Holzbrett haben, dazu ein scharfes Messer, den kleinen Mixer, einen Esslöffel, eine Zitrone, eine Presse, eine Flasche Weißwein, Honig, Senf, 5 Eier und etwas Sahne. „Nun schneiden wir von Kräutern die langsten Stengel ab. Die sind nämlich nicht schmeckbar. Dann nimm kleinen Mixer, der von Hand geht und tue alle Kräuter da rein. Deckel drauf und ziehen, bis Mixer viele Arbeit gemacht hat.“ Nach kurzer Bedenkzeit fuhr sie fort:
„Leider nicht ganze Arbeit, denn du musste alles klein und noch kleiner schneiden, so dass schon Saft aus den Kräuter läuft.Und das kommt sofort in Schussel hinein.” Zusammen mit 200 Gramm saurer Sahne und 200 Gramm Crème Fraîche wurde alles miteinander vorsichtig verrührt und die Soße verfärbte sich wunderbar hellgrün. „Nun kommt eine Esslöffel Senf rein, der Saft von Zitrone, ein Esslöffel Weißwein, ein Teelöffel Honig, etwas weiße Pfeffer und dann kochen wir noch 5 Eier, harte und 10 Minuten lange.”
In der Zeit, wo die Eier kochten, konnte Alois die Soße probieren und feststellen, was noch daran fehlte. Und hier kam es nur auf ihn an, denn bei der “Grünen Soße” war er derjenige, der wusste, wie sie schmecken musste.
Jetzt bei Probe bist Du Spezialiste. Also los,“
lachte Sofia. Und noch während er die Soße verrührte, fragte er sich, ob er merken würde, was fehlen könnte. Den ersten Löffel probierte er und dann konnte er feststellen, dass die Eier fehlten. „Die Eier verändern noch den Geschmack,” meinte er nachdenklich. „Ich muss warten bis sie drin sind. Und dann muss die Soße noch ein bisschen ruhen, ehe ich sie probieren kann!” Dann atmete er tief durch. Er hatte nochmal Zeit gewonnen.
Der Moment der Wahrheit kam, als die Eier in Streifen geschnitten in der Soße lagen und untergerührt waren. Sodann nahm er einen Löffel der Soße. Ja, sie schmeckte schon ein bisschen nach der „Grünen”. Aber noch nicht so ganz. “Da gehört noch mehr Pfeffer rein und ein bisschen Muskat. Auch ein Schuss Sahne ist noch nicht drin. Dann wurde wieder probiert. Allmählich geriet er in einen kleinen Rausch. „Noch etwas mehr Senf und auch Honig ist noch nicht genug.“
Und dann erstrahlte sein Gesicht.
Halt, das ist es jetzt! Lecker, geradezu genial. Jetzt können wir essen.”
Vor lauter Probieren hatten sie vergessen die Pellkartoffeln zu kochen. Und die dauerten nochmal so an die 20 Minuten. Alia und Sofia konnten das Ergebnis kaum erwarten und Alois probierte derweil immer weiter, bis die beiden weiblichen Wesen protestierten und meinten, er solle noch etwas in der Schüssel drin lassen. „Wenn schon nicht für uns, Großvater, dann wenigstens für die Kartoffeln!”
„Na gut, ich lass noch was drin,” meinte Alois gnädig.
Und dann wurde gefuttert.
In Gedanken dachte er daran, dass er dieses Essen schon bald alleine machen könnte. Er brauchte nur Petersilie zu kaufen, Kerbel, ach, welche Kräuter waren es noch…
