Ruinen damals, Ruinen heute

Als ich gestern Abend nochmal die letzten Bilder aus der Ukraine in den Nachrichten ansah, konnte ich das Entsetzen nicht unterdrücken: die brennenden Häuser und qualmenden Ruinen sahen aus wie offene Wunden. Und die mutigen Menschen schleppten Getroffene aus den Ruinen, die wie Skelette aussahen… Dazu fiel noch immer Schnee und man sah, dass der Wind kalt blies. Ein Land wird überfallen.

Als wir nach dem Krieg 1947 zurück in unsere Heimatstadt gingen, habe ich trotz der Tatsache, dass ich erst 6 Jahre als war, auch gesehen, dass alles staubig und kaputt war. Aber hier hatte ich keine Erinnerung an den Tod. Ich sah Ruinen, aufgeräumte Straßen, wenig Autos, kaputte Kirchen und zerstörte Bahnhöfe. Nichts brannte oder erzählte mir Geschichten von leidenden Menschen, Müttern mit kleinen Kindern, Tieren oder rumstehenden Rucksäcken, Teddibären oder ähnlichem. Alles sah tot aus, obgleich auf den Trümmerbergen schon erste, zarte Blumen blühten. Alle in lila. Und dazu schien die Sonne. Für uns wurde es fast ein Abenteuerspielplatz. Ein Abenteuerspielplatz mit Trümmerblumen!

Wir konnten nur in der Mitte der Straße gehen, weil zu viele Gebäude noch wacklige Ruinen waren, die abgerissen werden mussten.

Außerdem erklärten uns die Eltern, dass man jedes Trümmerfeld vorsichtig erkunden müsse, weil man häufig die darunterliegenden Kellerräume nicht sehen konnte, in die man möglicherweise reinstürzen würde.

Kinder passen sich schnell an. Unser Vater zeigte uns unser Haus, das er mit einigen Leuten zusammen gebaut hatte. Und wir Kinder fanden es toll, denn es war weiß gestrichen und ragte mit einer Etage über die Trümmerberge hinaus.Außerdem hatte mein Vater schon ein erstes Bäumchen gepflanzt, weil er etwas Grünes im Hof haben wollte. Und meine Mutter auch.

Heute weiß ich, dass auch unser Land schwer bombardiert wurde. Aber wir waren die Aggressoren, wir hatte den Krieg begonnen mit einem wahnsinnigen Hitler. Dass am Ende unsere Feinde nicht nur die Fabriken zerstörten, sondern auch die Wohngebiete angriffen, wie das die Engländer gemacht haben, war kein Wunder. Sie schenkten uns später durch die Queen das Kuppelkreuz für die neu erstandene Frauenkirche, welches nach historischen Vorbild der Kunstschmied Alan Smith anfertigte, der der Vater von einem der Bomberflieger auf Dresden war. Das Kreuz wurde als Geste der Versöhnung von den Briten gespendet:

Brücken bauen- Versöhnung leben.“

So schloss sich der Kreis und wir sind heute Freunde.

Gestern im TV sagte nach dem letzten Bericht über die Angriffe auf Kiew eine alte Frau: „Trotzdem glaube ich daran. Wir werden siegen und alles wird gut!“

Und ich denke: „Wir hatten die ganze Welt gegen uns! Doch wir konnten uns versöhnen.“

Alles wird gut!

Liebe Oma