Schaffenspause — der Faden riss ab — gibt es was neues?

Ich machte noch eine Ausstellung mit meinen Holzbildern in einem Krankenhaus, in dem mein Mann lag, weil man wusste, dass ich Malerin war und dann war dieses Kapitel für mich zu Ende. Und ein neues begann. Nur wusste ich noch nicht, was mich erwarten würde.

Ich wurde in den sechs Wochen, die mein Mann in jenem Krankenhaus lag und täglich bei ihm war, an die Schwierigkeiten dieses Hauses herangeführt. In diesem Stadtteil gab es zwei Krankenhäuser, die miteinander konkurrierten, weil sie ähnliche Behandlungen anboten und gleichzeitig zu viele oder zu wenig Betten hatten, wenn es nur ein Haus gegeben hätte.

Eines Tages hieß es plötzlich, dass das Haus geschlossen werden sollte, wo mein Mann lag. Und trotz der Tatsache, dass dieses Haus ganz frisch und neu eine Notaufnahme mit allem Komfort bekommen hatte für viel, viel Geld, sollte dieses Haus abgerissen werden. Das durfte und konnte nicht sein.

Und das machten wir später öffentlich!!

Längst hatten mein Mann und ich Feuer gefangen, dass man hier etwas retten konnte und sollte, unter anderem, weil so viel Geld umsonst rausgeworfen wurde für jene Notaufnahme. Millionen!!

Man hatte schon vor Jahren einen Förderverein gegründet, mit dem man nun endlich mal wirklich etwas anfangen konnte. Über den wollte man nun so einiges auf den Weg bringen und auch streiken.

Längstens waren mein Mann, der wieder gesund war, und ich dabei, mitzumachen, das Haus zu retten. Wir hatten so viele tolle Mitarbeiter kennengelernt, die ihren Arbeitsplatz liebten und wie ein Räderwerk miteinander arbeiteten. Wenn einer mal ausfiel, einigten sie sich untereinander, wie man eine Lösung finden konnte. Mit solchen Menschen mal zusammen zu arbeiten, hatte ich mir schon immer gewünscht.

Und so kam es, wie es kommen musste: Wir schlossen uns über den Förderverein alle zusammen und waren nun schon eine kleine Gruppe von vielleicht 20 Personen. Nun sollte ein Konzept erarbeitet werden, um das Haus in unserem Stadtteil zum beliebtesten und geliebtesten Krankenhaus zu machen.

 Also nahmen wir Kontakt zur Presse auch, stellten dort die Bilder vor, die wir nun schon hatten, nämlich eine Ausstellung mit einem Kollegen von mir und mir selber und nannten das gleich ganz großspurig „Unsere Klinik-Galerie“, weil wir von nun an regelmäßig Bilder ausstellen und in der Zeitung bekannt machen wollten. 

Unsere Klinik-Galerie

Als wir feststellten, dass das Haus neu gestrichen werden müsste, erbaten wir die Erlaubnis, eine Besucherecke zu renovieren. Es war eine breitere Nische, die wir weiß anstreichen ließen, setzten schicke (halb gespendete) Sessel aus Stahl und schwarzem Leder zusammen mit einem Bistrotisch hinein, an die beiden Seitenwände kamen Bilder von mir mit falschem Namen und direkt am Fenster stellten wir üppige Grünpflanzen auf. Wir mussten niemanden auffordern in all den Jahren, sie zu gießen. Sie blieben nie ohne Wasser.

Als die Ecke fertig war und richtig gut aussah, fragten die ersten Besucher schon, ob man sich da auch hinsetzen dürfte oder ob das nur für Privatpatienten sei. Ha, das war schon ein klitzekleiner Erfolg für uns. Das Personal fing dann an zu meckern, dass man jetzt sehen könne, wie ungepflegt der Rest des Flures sei. Und nach einer Weile bekamen wir Gelder für andere Ecken und noch mehr Ecken und Maler, die freiwillig die Wände strichen. Und am Ende erstrahlte das ganze Haus in schönstem Weiß auf all seinen 5 Etagen. In jeder Etage wurden noch Galerieschienen angebracht, weil es nun klar war, die Klinik-Galerie wirklich zu eröffnen.

Wir suchten Künstler und Hobbymaler, um die Wände zu füllen und ich muss sagen, das war eine wunderbare Aufgabe. So manche Person haben wir dabei aus ihrem kleinen Schattendasein erlöst. Da gab es eine nette ältere Dame, die bei uns zu Hause auf der Bank saß und sich ihre Fotos ansah. Mein Mann kam dazu und die beiden ins Gespräch. Sie hatte Zeit ihres Lebens immer in einem kleinen Pförtnerhäuschen vom Finanzamt gesessen und die Menschen in die verschiedenen Abteilungen geschickt. Ihre ganze Freude war die Fotografie, wobei es niemanden gab, der die Fotos jemals ansehen wollte. Aber mein Mann, im Gespräch mit ihr, ließ sich die Fotos zeigen. Dann rief er mich und auch ich bestaunte die Fotos. Es waren immer nur Bäume auf allen Abbildungen, aber was für welche? Ganz normale, doch so toll fotografierte, dass ich nur staunte. Wir fragten sofort, ob sie die Fotos nicht mal ausstellen wollte. Sie war geradezu erschüttert und fragte: „Aber wo?“ und wir konnten antworten:

Bei uns im Krankenhaus“. 

Das war eine Aufregung bei ihr und ich sagte: „Wir brauchen 20 Fotos wenigstens in DIN A4.“ — „Ich kenne jemanden, der macht sie mir in DIN A3, weil er selbst eines haben möchte.“

Nun entstand die Frage, wie wir sie rahmen wollten. Mein Mann meinte dazu, dass er die ersten 20 Rahmen spenden würde, wenn es denn Rahmen seien, die im ganzen Haus verwendet werden könnten.

Die fand ich nach langem Suchen und sie waren geradezu perfekt für das ganze Haus und für alles, was auf Papier oder Karton gemalt wurde.

Die erste Ausstellung

Diese erste Ausstellung war ein voller Erfolg, weil plötzlich viele Leute mal kurz ins Haus schauen wollten, um die Fotos zu sehen, die so ungewöhnlich waren, wie die Zeitung schrieb. Und unsere alte Fotografin mit ihren 75 Jahren fing an, ganz kreativ zu werden und konnte nicht mehr aufhören. Sie entwickelte sich zu einer Person, die nun auch Collagen machte, die wunderbar waren. Und am Ende schrieb sie sogar Bücher. Erst Märchen für Kinder und dann Märchen für Erwachsene und am Ende ihre eigene Geschichte, wie sie mit 75 Jahren noch wachgeküsst wurde.

Im Laufe der Zeit füllte sich unser Krankenhaus mit vielen schönen Bildern, die auch verkauft wurden. Da war zum Beispiel einer unserer Ärzte, der meinen Mann und mich bewunderte, wenn wir nachts kamen und leise unsere schon gerahmten Bilder mit den jeweiligen Malern zusammen aufhingen, weil wir tagsüber gestört hätten. Er meinte, es sei ja ganz schön, dass wir das machen würden, aber er glaube nicht, dass das irgendeine Wirkung habe. Er selbst würde sich auch gar nicht für Bilder interessieren. Ich antwortete nur. „Das ist ja auch Ihr gutes Recht. Trotzdem, denke ich, schmücken wir die Wände, denn selbst wenn es vielleicht auch nur eine Person in der Woche gäbe, die sich durch ein Bild getröstet fühle, würde es sich lohnen. „Er lächelte mitleidsvoll. Genau eine Woche später kam genau dieser Arzt völlig aufgeregt zu mir und meinte:

Mich hat es erwischt. Ich habe ein tolles Bild gesehen. Können Sie mich mit dem Maler zusammenbringen?“

Sie kamen zusammen und er kaufte das Bild, völlig hingerissen von diesem abstrakten Werk. Das war wirklich eine große Freude für uns alle: Für die Malerin, für den Arzt und für uns!!

Zu den vielen Bildern in den Etagen entwickelten wir alle mit großer Fantasie immer neue Dinge: Wir machten einmal im Jahr vor Weihnachten einen Herbstmarkt. Am Anfang gab es nur ein paar Stände, aber schon bald darauf entwickelte sich ein großer Markt mit mehr als 30 Ständen. Kein Stand bot das gleiche an, jeder hatte sein eigenes Handwerk, bis hin zu einem ganz kleinen Bauernmarkt im Untergeschoss.Dazu kamen noch die Möglichkeiten, sich Vorträge von Ärzten anzuhören oder sie auch nur zu sprechen oder kennenzulernen. 

Und im Sommer feierten wir ein Sommerfest. Da sollte jeder sehen und erleben, dass das ganze Personal ansprechbar war, bis hin zu den Ärzten und der Klinikleitung.

Wir alle haben noch viel mehr gemacht, um das Krankenhaus zu erhalten. Das hat leider nichts genutzt. Wir waren zwar dauernd und dazu sehr positiv im Gespräch auch mit der Bevölkerung. Aber am Ende hat die Politik gesiegt. Die dürfen Geld rausschmeißen, der kleine Mann aber nicht.

Wenn die Politiker gesehen hätten, wie sehr die Mitarbeiter von der untersten bis in die oberste Etage mitgemacht haben, hätten sie sich vielleicht noch eine andere Lösung ausgedacht. Solche hingebungsvollen, zusammenhaltenden Mitarbeiter hatten wir noch nie erlebt. Jeder brannte. Und nur weil das so war, konnten wir alle zusammen so viel stemmen.

Nach solch einem freiwilligen arbeitsreichen Wochenende mit dem „Herbstmarkt“ meinte ein Arzt total beglückt: „Ich habe mich noch nie so im „WIR“ gefühlt wie heute!“ Und unser Hausmeister nickte gerührt dazu.

Wir werden keinen von ihnen vergessen.