Der Großvater saß am Tisch und schälte ungeschickt die Kartoffel. Seit drei Tagen hatte es nur Bratkartoffeln gegeben, weil es neben den gebratenen Eiern das einzige war, was er kochen konnte. Und als Enkelin Alia nach Hause kam, war sie doch ziemlich traurig, weil wieder das gleiche auf dem Tisch stand. Sie wollte nicht meckern, weil der Großvater eigentlich so lieb war und sie beide nur noch einander hatten. Der einzige Unterschied war, dass die Kartoffeln manchmal geschält waren so wie heute und daraus die Bratkartoffeln gebrutzelt wurden und mal mit Pellkartoffeln, wenn die Kartoffeln noch schön genug waren und nicht gekeimt hatten. Aber irgendetwas musste sie vielleicht ändern. Nur was?
Ihr Großvater aber kam selbst auf eine Idee und schon am nächsten Morgen hatte er ein Gespräch mit der Bäckerin. „Hör mal, Bäckerin,” sagte er, „Ich brauche eine Frau:” – „Was, Du alter Mann brauchst noch eine Frau?” lachte sie zurück. Er fuhr fort: „Ich brauche jemanden, der mir das Kochen beibringt. Seit Tagen gibt es bei uns nur Kartoffel, gebratene, gekochte, mal mit Ei, mal ohne. So kann das nicht weitergehen. Alia braucht gesundes Essen, damit sie sich wieder erholen kann von ihrem Kummer um die verlorenen Eltern und sich wenigstens auf den Großvater und seine gelungenen Mahlzeiten freut. Sie soll sich wieder gut fühlen. Wenigstens körperlich.“ – „Da hast Du wohl recht,” meinte die Bäckerin und hatte auch gleich eine Idee. „Du weißt, dass wir seit einigen Monaten bei uns eine Italienerin haben. Die kocht ganz vorzüglich, jammert aber immer, dass es sich nicht lohnt nur für eine Person zu kochen. Ich glaube, die könnte Lust haben für Euch die Mahlzeiten zu bereiten.”
Nein,“ antwortete der Alte, „ich will es nochmal lernen, damit ich selber meine Enkelin verwöhnen kann!“
„Na, gut, mach das. Soll ich sie mal herbestellen. Dann tue ich das gleich“. Und ohne seine Antwort abzuwarten klingelte sie durch bei Sofia, um sie zu fragen, ob diese Lust habe einem alten Mann noch das Kochen beizubringen. Er konnte das Lachen durchs Telefon hören und bekam auch mit, dass Sofia sagte: „Ich kommen gleiche mal ruber!” Und bevor Großvater sich fassen konnte, stand sie schon in der Türe, streckte ihm die Hand entgegen und lachte: „Ich bin Sofia. Nicht so schönn wie die echte und nichte so kurvisch. Aber kochen kann ich auch.” – „Ich bin Alois,” antwortete der Großvater völlig überrumpelt von der hübschen Frau.
Sofia fing gleich an zu fragen, was Alia gerne isst und nachdem Alois das nicht beantworten konnte, meinte Sofia, sie käme mit zu ihm nach Hause. Dort könne man ja für den ersten Tag ein Kompromiss-Essen kochen, damit Alia schon mal einen neuen Geschmack bekommen würde. Und ab dem nächsten Tag könnten sie gemeinsam einkaufen, um anschließend zusammen zu kochen.
Sie holte ihre Jacke aus ihrer Wohnung, nahm den Schlüssel mit und dann verließen sie die Bäckerin mit einem herzlichen Dankeschön.
Alois war froh, dass er sein Haus am morgen aufgeräumt verlassen hatte. Sofia lobte die Ordnung und fing gleich an, die Küche zu suchen. „Tolle, tolle ist es hier. Ich glaube, wir konnen kreative sein. Komm Hande waschen, Schurze um und dann geht los.” Ihr Deutsch mit den vielen kleinen Fehlern gefiel ihm und er konnte vielleicht versuchen, sie ein bisschen zu verbessern, aber nicht zu viel. Das wäre schade gewesen.
Ungeniert öffnete sie den Kühlschrank: „Was gibt alles da drin? Eine Käse, ein Salat, eine Schüssel Tomaten, Joghurt, das ist alles. Alois, hast Espagetti?” – „Ja,” fiel ihm ein, „die habe ich.” – „Dann wir fangen an und machen einfache Sache heute. Und ab morgen Junge, Junge, wir kochen classica ein bischen italiano, ein bischen deutsch und so weiter. Ja?” Sie fand noch eine Stange Sellerie, eine kleine Möhre und zwei letzte Knoblauchzehen. Sie putzte Möhre und Stangensellerie und schnitt sie in ganz kleine Stückchen, nahm Butter und Olivenöl in die Pfanne und ließ es leicht brutzeln, ehe sie die Herdplatte runter stellte, um sie auf kleinster Flamme weiter köcheln zu lassen oder wie sie sagte: „Ich mache kleinen Nebel in der Pfanne.” Dann zerhackte sie die Tomaten, fügte einen Rest Tomatenketchup hinzu, den sie gefunden hatte und Weißwein und ließ alles zusammen noch eine ganze Weile auf kleiner Flamme weiter köcheln, ehe sie Knoblauch, Pfeffer und etwas Salz und geriebenen Käse hinzufügte.
Und kurz bevor Alia nach Hause kam, deckten sie gemeinsam den Tisch mit tiefen Tellern, Löffel und Gabel, streuten ein paar Gänseblümchen über den Tisch und ließen die Nudeln gar werden. Vor Schreck fiel Sofia ein, dass es noch ein bisschen Salat gab und zusammen mit den letzten zwei Tomaten wusch sie ihn noch schnell, ehe er mit frischem Dressing aus Essig, Öl, Joghurt etc noch auf den Tisch gestellt wurde.
Alia kam und bevor sie Sofia entdeckte, roch sie und war ganz aufgeregt: „Großvater, hast Du Spagetti gekocht? Lecker, egal wie schlecht sie schmecken, Du hast sie für mich gekocht…” Dann sah sie Sofia und ihre Miene verdüsterte sich etwas.
Sofia erklärte in ihrem lustigen Deutsch, dass sie nun in Großvater einen Schüler hätte, der bei ihr kochen lernen wolle extra für seine Enkelin.
Da lachte auch Alia ganz laut und herzlich, wie Großvater es lange nicht mehr von ihr gehört hatte.
Der Großvater wollte für sie nochmal kochen lernen. Eine größere Freude konnte er ihr nicht machen. Derweil verhandelte dieser mit Sofia, wie sie und was sie kochen wollten. „Ich bin kein Millionär, Sofia. Ich brauche einfaches und gutes Essen, was ich auch noch bezahlen kann.” – „Kein Problem, ich bringe Dich bei aus nix was zu machen!”, sprach’s und ließ die beiden mitsamt Essen zurück. „Auf Morgen!”
Lecker schmeckt das,”
freute sich Alia. „Und, Großvater, ich werde nicht über Dein Essen meckern, weil Du es für mich lernst. Das ist eine große Ehre für mich!” Sie beugte sich zu ihm und gab ihm einen Kuss.
Mal sehen, wie der erste Tag als Kochschüler beginnen würde.
Er war schon sehr gespannt darauf. Und Alia auch.
Und wir erst recht.
Fortsetzung folgt
