Morgen ist Silvester und es ist das erste mal sei langer Zeit, dass ich mir vorgenommen habe für das neue Jahr einen guten Vorsatz zu fassen. Ich will in mein 80. Lebensjahr mit Haltung gehen. Mein lieber Mann hat das noch bis zu seinem 90. Lebensjahr geschafft. Zwar mit meiner Hilfe, aber immerhin. Mit 80 Jahren ist er nochmal mit mir umgezogen aus unserem schönen großen Haus mit großem Garten und hinein in eine andere Stadt und kleinere Wohnung mit kleinem Garten.
Als es anfing im großen Haus ohne unsere Kinder immer leerer zu werden, wollten wir eigentlich auswandern, so pfiffig und lebenslustig war noch damals mein Mann. Wir dachten zunächst an Neuseeland und mein Mann fing schon an sich das neue Leben dort auszumalen. Und ich war damit beschäftigt darüber nachzudenken, was wir von unserem Hausrat überhaupt mitnehmen sollten. Sicherheitshalber.
Doch da meldete sich unser ältester Sohn und signalisierte, dass er und seine Frau eine kleine Familie gründen wollten. Endlich mal wieder niedliche kleine Kinder… Sehr verlockend! Machen wir’s kurz: Natürlich wurde Neuseeland gecancelt und unser vorübergehender Traum, kurz mal in Australien nach ein paar Nuggets zu buddeln, ehe wir Neuseeland erobern wollten, wurde verworfen.
Unser Haus wurde verkauft und wir zogen um.
Das ging natürlich nicht ganz so schnell, denn es musste die richtige Wohnung sein, an der richtigen Stelle und im richtigen Stockwerk. Da unsere beiden Söhne in der gleichen Stadt wohnen, sollte es auch ein Ort zwischen beiden Wohnungen sein, wo wir in Zukunft unser müdes Haupt hinlegen wollten. Wir brauchten drei Jahre, aber das liegt alles lange hinter uns und unser Leben hat sich gründlich verändert. Heute würde ich sagen: jeder ältere Mensch sollte einmal umziehen, damit dabei das Gehirn einmal kräftig durch gepustet werden kann. Sie müssen sich von vielem trennen, Entscheidungen treffen, Übersichten behalten, Träume auf bauen, Träume abbauen, lebendig sein oder wieder werden, altes verwerfen und das neue genießen. Mein Mann konnte sich beim Aussortieren oder Dinge behalten nicht entscheiden. Er hätte am liebsten die ganze Garage mitgenommen und seine Werkstatt auch. Doch wenn ich mal etwas mitnahm, was er für einen kleinen Schnörkel der Erinnerung hielt, meinte er jedes mal: „Wir haben keinen Platz.“ Bis endlich meine geliebte Schwägerin sagte: „He, lieber Bruder, vertrau mal Deiner Frau. Die weiß schon, was sie tut.“ Und jedes mal antwortete er und sagte: „Ich weiß, Du hast ja recht.“
An einem 12. 9. zogen wir in die neue Stadt. Ich musste versprechen, dass es nicht der 11. 9. sein dürfte und von da an waren wir für eine lange Zeit im Urlaub. Unsere Wohnung war Urlaub.
Jetzt bin ich so alt wie mein Mann war, als wir unser großes Haus verließen.
Mein Mann ist mir schon vorausgegangen zu den Engeln und ich möchte nun im gleichen Alter wie er nochmal schauen, ob ich so mutig sein kann wie er es damals war. Es muss ja nicht gleich ein Umzug sein, obgleich ich über den auch schon nachdenke. Es kann etwas anderes sein. Ich finde es schrecklich, wenn alte Menschen sagen, dass sie ihre Zeit bis zum Sterben absitzen müssen oder „Ach, ich weiß mich noch zu beschäftigen.“ Mein Mann wollte die Welt verändern fast bis zum Ende seines Lebens. Ist das nicht schön? Und nun frage ich mich, was ich noch verändern könnte. Ich habe da schon mehrere Projekte im Auge:
- Ein Buch werde ich noch schreiben nach dem Motto: aller guten Dinge sind drei! (Zwei habe ich schon geschrieben)
- Als nächstes kommen noch die Krankenhäuser dran, nach dem Motto: Hilfe, ich muss ins Krankenhaus!
- Den Klimawandel will ich mir auch noch anschauen nach dem Motto: Klimawandel ist Realität. Was können wir trotzdem tun?
- Und wenn das alles nicht funktioniert, dann ziehe ich um! Auf einen Bauernhof! Und rede mit den Hühnern.
Frohes Neues Jahr!