Bedächtig stieg die alte Dame aus der Straßenbahn aus. Sie wartete einen Augenblick, ehe sie auf der Station weiter ging und man bemerkte, dass sie unsicher war. Dann blieb sie stehen, von wo aus sie die Straße überqueren konnte, um ihren Weg zum Ärztezentrum weiter zu gehen. Ihre Schritte waren langsam und unsicher, denn sie hatte nach einigen Tagen mal nicht ihre Walking Sticks dabei, weil sie einige Bücher in der Tüte mit sich trug. „Dumm“, dachte sie, „warum habe ich keinen Rucksack mitgenommen?“
Der Wind blies stark, sodass sie ihre Maske wieder aufsetzte, denn das half , um ruhiger atmen zu können. Die Sonnenbrille hatte sie vergessen, weil das Licht heute schärfer blitzte als sonst und die Augen tränten.
Da legte sich plötzlich eine Hand auf ihre Schulter und eine männliche Person fragte, ob er ihr helfen könnte. Seine Arme seien noch ein bisschen stärker als ihre. Dankbar blickte sie ihn an oder das, was man sehen konnte. Ebenfalls eine Maske, um nicht so stark durch den Wind beim Atmen behindert zu werden, wie er sagte und er trug eine Sonnenbrille ebenfalls gegen den Wind, denn ihm flogen dauernd Sandkörner ins Auge.
Ach, junger Mann,“
meinte sie,“ich muss ins Ärztehaus und Sie marschieren wahrscheinlich um diese Zeit zur Arbeit oder haben Muße, um in den Park zu gehen.“ — „Nein, ausnahmsweise muss ich auch ins Ärztehaus. Nehmen Sie meinen Arm und ich trage ihre Tüte. Dann habe ich ein bisschen mehr zu tun und Ihnen geht es besser.“
„Ach, ja, gerne,“ meinte sie dann und freute sich aber nun, dass sie heute die Stöcke nicht dabei hatte. So gefiel es ihr viel besser.
Eine ganze Weile liefen sie schweigend nebeneinander, aber das war nicht peinlich, sondern angenehm und beschützt.
Irgendwann fragte er sie, zu welchem Arzt sie gehen müsste. weil sie kurz vor dem Gebäude standen. „Ich muss in den rechten Block. Und Sie?“ — „Ja, ich auch. Und jetzt muss ich mich auch ein bisschen beeilen, denn gleich kommen die ersten Patienten“.
Er nahm seine Sonnenbrille ab und dann sah sie, es war ihr Doktor. „Bin ich ihr erster Patient?“. Er lachte und sagte: „Ja, genau! Und Sie sind immer so verdammt pünktlich!“. Ließ dann behutsam ihren Arm los, legte ihr Paket auf den erstbesten Stuhl, half ihr aus der Jacke und meinte dann: „Atmen Sie noch einmal kräftig durch, ehe Sie zum Doc reingehen müssen!“
Sie setzte sich auf den Stuhl und musste dann leise lächeln. Wer hätte das gedacht? Ärzte sind also auch nur gewöhnliche Menschen! Und dann rief er sie ins Sprechzimmer! „Guten Morgen, Frau Kaufmann!“ — „Wussten Sie gleich wer ich bin,“ fragte sie zurück. „Ich dachte Sie gucken keinen richtig an! Sie schauen immer nur auf die Werte und verschreiben dann, was man braucht oder manchmal auch nicht!“ — „Tja, und nun haben Sie gemerkt, wir Ärzte sind sogar echte Menschen.“
Und tragen nicht nur einen weißen Kittel, an dem man sie erkennt!“
erwiderte sie lächelnd.
