Skifahren auf der Alpspitze

Noch einige male kam Edward, um dann für mehrere Wochen in Klausur zu gehen. Er musste für sein Studium lernen,das war wieder dran. Er erzählte Lizzy, dass ihm sein Studium zum Ingenieur großen Spaß bereite und er sich schon auf die Zeit freue, wenn er im Beruf stehen würde. Zwischenrein musste er natürlich arbeiten, um sein Studium weiter finanzieren zu können. Inzwischen wusste sie auch, dass sein Vater Pastor war und er noch 6 Geschwister hatte.

„Mann, sechs Geschwister. Ich dachte, ich hätte schon viele. Wir sind nämlich fünf Kinder, Hannerl hat fünf Geschwister und Du schlägst uns beide. Und wie ist das mit so vielen?“, fragte sie dann. „Wir sind fünf Buam und zwei Maderln. Glücklicherweise ist unsere Wohnung groß, weil die Kirche meinem Vater noch eine Wohnung dazu gemietet hat. Naja, uns gefällt es schon ganz gut. Die Maderln sind zwar häufig ein bisschen zimperlich. Aber es geht scho!“ Dann verabschiedeten sie sich und sie rief ihm zu:

Wir sehen uns, wenn wir uns sehen“, lachte wie immer und zwitscherte ins Haus.

Drei Tage später warf Edward ein paar kleine Steinchen ans abendlich erhellte Fenster von Hannerl und Lizzy. Die Wirtin der Mädchen warnte ihn, er solle kein Fenster zerdeppern, worauf er meinte, „Bin doch koa Anfänger net“, und warf den letzten. Lizzy öffnete das Fenster: „Du schon wieder, Du frecher Kerl. Was willst Du?“ – „Ich verschwind gleich wieder. Ich wollt nur sehen, obs Dich noch gibt.“ – „Klar und so schnell ich auch nicht verloren!“ – „Dann ist’s guat und i bin scho weg! Servus!“ Er schwang sich in seinen noch unfertigen VW Bus und weg war er.

„Was wird das,“ fragte Hannerl und Lizzy antwortete: „Weiß ich noch nicht. Abwarten und Tee trinken.“

Ein paar Tage später das gleiche Spiel. Nur diesmal brachte er seinen Freund mit, der mindestens genauso gut Steine ans Fenster werfen konnte. „Servus Lizzy, hier ist mein Freund Felix, der Euch auch mal kennenlernen möchte. Wir haben Samstag frei und ich wollt wissen, ob Ihr beide Lust habt in die „Eule“ zum Tanzen zu gehen. Danach müssen wir wieder zurück. Weiterarbeiten! Felix und ich.“ Hannerl sagte sofort ja, weil sie lange nicht tanzen waren. Meist nur viel Arbeit und beide Mädchen wollten auch ihre weitere Ausbildung demnächst wieder aufnehmen.

Also, es wurde Samstag, die Mädchen kamen die Treppe runter und Felix schnappte nach Luft. „Seit wann kannst Du so gut Deutsch und bist so nett, Du Schwedenbraut?“ fragte er. Und Lizzy antwortete, sie habe Deutsch schon im Vorbeigehen gelernt. Nur nett sein habe sie studieren müssen. Und endlich würde ihr das gelingen.

Felix war total verblüfft.

Aber schon nach kurzer Zeit tanzten sie in der „Eule“ und hatten viel Spaß. Noch vor Mitternacht mussten die Mädchen zurück sein und Edward war brav genug dies zu tun. „Gut Nacht und träumt was schönes von uns,“ verabschiedete sich Felix und Lizzy antwortete: „Vielleicht, aber vielleicht auch nicht!“ Dann verschwanden sie.

„Sag mal,“ meinte er dann zu Edward, „dös gibt’s doch net, die ist ja a Wucht in Tüten.“ und Edward meinte dazu „Holt Di zruck.“ – „I woass,“ antwortete Felix beruhigend.

Zwei Wochen später holte Edward die beiden Mädchen von zu Hause ab, weil seine Mutter sie eingeladen hatte. Es gab Zwetschgen Datschi und den mochten die Mädels so gern, seit sie in Bayern lebten.

Das Haus war ein einfaches Haus, der Eingang schmucklos. Doch alles stimmte und war so schlicht wie die Frau, die die beiden begrüßte und dann nur murmelte: „Mei oh mei, des derf doch nit woar sei,“ und dabei sah sie Lizzy an wie eine fremde Erscheinung.

Guten Tag, Frau Bauer, ich bin Lizzy und das ist meine Freundin Hannerl.“

„Das ist ja wirklich so,“ meinte sie dann hochdeutsch, „Du siehst der Schwedenbraut wirklich unendlich ähnlich. Der einzige Unterschied zwischen Euch? Du bist net so schlank wie sie. Sie ist so schlank, weil sie als Fotomodell arbeitet, obgleich sie es nicht nötig hätt.“

„Lass sie doch endlich rein, Mutter,“ rief Edward ungeduldig. Und seine Mutter ließ die Mädchen an sich vorbei in die Küche gehen. Die Küche war gleichzeitig auch Wohnzimmer, Empfangsraum und urgemütlich, so einfach auch alles war.

Es wurde ein netter Nachmittag und Frau Bauer lud sie ein, wann immer sie in der Gegend seien, mal reinzuschauen. Edward meinte dazu: „Das könnt Ihr wirklich immer tun, denn das tun alle, die einmal bei der Mutter waren.“

Die Jungs schrieben ihre Prüfungen und die Mädels gingen in die Kunstakademie und die Tage wurden wieder strukturierter für alle. Hannerl kellnerte nicht mehr und Lizzy musste auch nicht mehr singen, denn beide hatten wieder ein bisschen gespart, so dass sie die Akademie besuchen konnten.

Der Herbst war fast vorbei und es kam die Weihnachtszeit und mit der Weihnachtszeit der Besuch zu Hause.

Wie sagten sie immer? „Bebra ist die kleine Stadt, wo man eigentlich nur umsteigt.“ Aber es war ihr Zuhause. Und es war schön mit der Familie Weihnachten zu feiern.

Dann ging es wieder zurück nach München. Edward, Felix, Hannerl und Lissy wollten über Silvester auf die Alpspitze zum Skifahren gehen. Hannerl konnte schon ein bisschen Skifahren. Lizzy nicht. Aber als sie oben auf der Hütte waren, freute sie sich endlich Skifahren zu lernen, auch wenn sie dabei mehr auf den Po fallen würde als zu fahren. Sie ging auch freiwillig gleich in eine Anfängergruppe und am ersten Tag lernte sie nur Schneepflüge zu üben.

Doch am zweiten Tag passierte mehr und sie fühlte sich schon ein bisschen sicherer, so dass sie sich vornahm, am dritten Nachmittag durch den Hohlweg zu fahren. Der sah nicht schwierig aus und schien für eine Anfängerin gerade wie gemacht. Die anderen fuhren auf ihren Pisten, die sie schon immer kannten und selbst Hannerl durfte schon schwierigere Bahnen fahren. Lizzy fuhr also zu dem besagten Hohlweg, der so wunderbar aussah und sie fühlte sich schon ganz sicher. Anfänglich war auch die Geschwindigkeit so gering, dass sie mutiger wurde. Sie wurde schneller, zu schnell, wollte noch einen Schneepflug machen und abstoppen, stieß in die hohen Seiten des Hohlweges und knickte mit den Knien nach innen.

Verdammt,“ stöhnte sie nur. „Oh, verflixt, tut das weh!“

Jemand fragte, ob er helfen könne und sie verneinte. Sie schnallte die Skier ab, biss die Zähne zusammen und humpelte zur Hütte zurück. Dort fragte man gleich, was passiert sei und ein paar Leute von der Bergwart legten eine Schiene gegen ihr linkes Innenbein und umwickelten es mit einem Verband. Sie moserte leise, sie war selbst schuld. Als später die anderen kamen, die sie alle in dem Anfängerkurs verlassen hatten, und hörten, was sie gemacht hatte, meinten sie nur: „Na, da wirst Du die nächsten drei Tage auf der Hütte bleiben müssen.“ Zuerst wollte Edward bei ihr bleiben. Doch sie war froh, dass er sich ganz schnell überzeugen ließ, die Zeit zu nutzen, um zu entspannen.

Am nächsten Morgen ging es ihr schon ein bisschen besser. Sie hatte eine Schmerztablette genommen und holte ihren Zeichenblock hervor, um die Berge zu skizzieren. Hin und wieder fiel ihr auch ein Gesicht auf, was ihr Spaß machte, es schnell zu zeichnen.

Der Tag ging schneller rum als sie dachte und am Abend musste ihr Edward die Treppe zum Matratzenlager hinauf helfen. Jeden späten Abend lieferten alle Leute, die dort zusammen schliefen, einen kleinen Teil ihres Essen an den ab, der dem Fenster am nächsten war und der fütterte die Mäuse, damit die anderen gut schlafen konnten. Die am Fenster wechselten sich ab und jede Nacht machte es ein anderer. Lieb waren die Jungs!

Fortsetzung folgt

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