So einfach, und doch so schwer

Sie stand am Fenster und starrte in den Regen. Die Tropfen spritzten und das Geräusch war das von vielen Soldaten, die die Straße lang marschierten.

Wieder hatte sie eine Nacht hinter sich gebracht, in der sie nicht mehr als zwei Stunden geschlafen hatte. Die restliche Zeit schlich quälend dahin und sie drehte sich ständig von einer Seite auf die andere. Die Gedanken verfolgten sie, die so unwichtig waren und meist haltlos. Zum Beispiel, dass sie ihre Mutter allein gelassen hatte, weil sie in die Ferne wollte. Sie war jetzt 60 Jahre alt, ihre Mutter längst tot und die ganze Geschichte über vierzig Jahre her. Was sollte das noch heute?  Hätte sie bei ihr bleiben müssen? 

Solche und ähnliche Gedanken aus längst vergessen Zeiten rumorten in ihr.

Nach einer Weile dachte sie darüber nach, ob sie nicht mal wieder meditieren sollte. Vor genau achtunddreißig Jahren lernte sie einen Meister der Meditation kennen.Er schenkte ihr ein Wort, mit dem sie meditieren sollte. Und noch während sie so vor sich hin grübelte, schoss ihr das Wort nach so vielen Jahren wieder in den Kopf, ohne darüber nachgedacht zu haben.

Das ist ein Zeichen,“

meinte sie dann und hatte den ganzen Tag Dinge im Kopf, die ihr damals so sehr gefielen, wenn sie meditierte. Sie konnte sich wunderbar konzentrieren, entspannen und die Dinge des Alltags hinter sich lassen.

Also setzte sie sich am frühen Abend hin, um wieder den Einstieg in die Meditation zu finden. Aber alles machte sie unruhig und sie konnte sich kaum einen Moment auf ihr Wort konzentrieren. Plötzlich war der Tagesablauf von größter Wichtigkeit und unruhig dachte sie an Politik, an Wahlen, an die heißen Sommertage, die viel zu heiß gewesen waren, an Kälteeinbrüche und ihre Kinder und Enkel in dieser ersten Pandemie Zeit. Alles hatte sie zur gleichen Zeit im Kopf.

Sie stand auf, trank ein Glas Wasser und entspannte sich. Viele Tage versuchte sie wieder hinein zu kommen in diese Momente, wo sie wunderbar meditieren konnte. Es dauerte. Und es dauerte. 

Doch dann kam der Tag, wo es wieder so weit war. Sie spürte es genau. Sie setzte sich auf ein Kissen, das sie auf den Boden gelegt hatte, sorgte dafür, dass nichts und niemand – auch kein Telefon oder Handy – sie stören konnte und versuchte wieder einzutauchen in die große innere Freiheit der Meditation. Ihr Atem ging ruhig, der Körper entspannte und sie fühlte inneren Frieden. Es war wunderbar.

An jenem Abend konnte sie das erste mal wieder richtig schlafen. Sieben Stunden lang. 

Das war Glück- das war ein Geschenk. Nun wollte sie dies bewahren.