Vater und Sohn – ein Geschenk

Charly stand am Fenster und sah hinaus in den Garten. Alles war noch junger Frühling und vorsichtig fing eine erste Azalee an die Knospen leicht zu öffnen.

Er stand eine kleine Ewigkeit dort und überlegte, wie er seinem kleinen Sohn klarmachen sollte, dass er adoptiert sei. Es war jetzt der richtige Zeitpunkt, wo er dies dem Kleinen erzählen wollte. Er drehte sich um und sah Ben zu, wie dieser auf dem Boden seinen Bauernhof aufgebaut hatte. Mit seinen fünf Jahren war er ein geschickter Junge, der auch ganz allein fröhlich vor sich hinspielen konnte. Jetzt schaute er auf zu seinem Vater und fragte ihn, ob er später auch mal ein Bauer werden könnte.

Aber klar könntest du das, wenn Dir die Tiere Spaß machen.

„Aber auch die Landwirtschaft sollte Dir Freude bereiten. Das Aussäen, das Pflegen, das Zittern um Regen, der nicht zur rechten Zeit vom Himmel kommt und später das Ernten, manchmal sogar bis in die Nacht hinein, weil es am nächsten Tag gewittern sollte und Du das nicht gebrauchen kannst, weil die Ernte trocken eingebracht werden muss. Außerdem wirst Du dann auch noch einen Helfer haben müssen, der Dir zur Hand geht, denn so ganz alleine kann man das nicht immer machen, was auf so einem Hof an Arbeit anfällt. Du wirst manches mal um die Tiere zittern oder das Wetter verwünschen, aber es ist eine wunderbare Aufgabe, sich dieser natürlichen Dinge des Lebens zu widmen. Das ist auch wie mit einer Familie, wenn man die gründen will. Man weiß auch nicht, was einem dabei an guten Dingen und auch an schlechten alles passieren kann.

Aber wenn Du eine Familie haben willst, musst Du auch bereit sein, alles zu geben.“

Einen Augenblick dachte er nach, ehe er dann mit kraftvoller Stimme fortfuhr: „Schau mal, Deine Mama und ich, wir wollten so gerne Kinder haben und konnten keine bekommen.“ – „Ihr habt doch mich!“ rief Ben empört, „Bin ich denn nichts?“ – „Kannst Du Dich noch erinnern, wann Du in unser Leben gekommen bist?“ fragte Papa. „Ja,“ meinte Ben, „Am Anfang war alles noch ein bisschen durcheinander. Aber später war ich ganz bei Euch“ – „Siehst Du, mein lieber Ben, das stimmt. Du warst noch keine zwei Jahre alt, als Du in unser Leben gekommen bist. Mama und Papa haben Dich in einem Kinderhaus gefunden, wo Du ohne eine Mama aufgewachsen bist. Und heute bist Du unser Kind. Verstehst Du das?“

Hatte ich denn eine andere Mama!“

„Ja, einen anderen Papa und eine andere Mama.“ – „Warum wollten die mich nicht haben?“ – „Schau mal, Deine Mama starb bei Deiner Geburt und Deinen Papa kennen wir alle nicht. Der hat auch nie nach Dir gefragt. Und als wir ganz dringend ein Kind für uns suchten, sind wir in dieses Kinderhaus gegangen und da hast Du uns sofort angelacht und wolltest mit uns nach Hause wackeln. Aber wir durften Dich erst mitnehmen, als wir ganz viele Papiere unterschrieben haben und so…!“ – „Bin ich dann etwas ganz besonderes?“ fragte Ben. „Ja,“ antwortete der Vater und sagte: „Du warst das Beste, was wir kriegen konnten! Auch für Mama warst Du das Beste.“

„Dann lass uns mal rausgehen und die ganze Welt angucken, weil sie heute noch schöner für mich geworden ist. Dann habe ich Euch geschenkt und ihr habt mich geschenkt oder so…“

Sie zogen sich an und gingen raus in den kalten Frühlingstag. Charly fasste ganz fest die Hand seines Sohnes und dachte, „Mein Glück ist seine Hand.“