Gestern wollte ich einen Weihnachtsbaum kaufen. Ziemlich früh holte ich mein Auto aus der Garage und düste los. In den Nachrichten hieß es, dass man in diesem Jahr schon zu Beginn der Adventzeit die meisten Bäume verkauft habe, weil die Menschen Muße hatten ihn schon früh zu schmücken. Corona-Zeit ist eine andere Zeit.
Die Leute hatten den ganzen Dezember Freude am Baum, und beschmückten ihn heftig, wie ich im Internet schon gesehen hatte. Vermutlich hingen sie jeden Tag etwas neues an die Zweige, so dass viele der Äste schon unter der Last ächzten, so hatte es jedenfalls den Anschein.
Ich fuhr also mit dem Auto zum Gartencenter von Dehner: Der Laden war zu.
Anschließend ging es zu Aldi. Die waren ausverkauft.
Dann war ich bei Rewe. Pustekuchen, sie waren ebenso ausverkauft.
„Was ist denn das?“, fragte ich mich.
Sollten die Zeitungen mal recht gehabt haben? Alle Tannenbäume ausverkauft?“
Ich will aber einen Tannenbaum für meine Kinder, meine Enkel und mich.
Halt, da gab es doch auch noch Bauhaus. Die würden sicher noch welche haben. Bauhaus war zu.
Nun wurde es eng. Letztes Jahr gab es an fast jedem Platz jede Menge Bäume. Und ich wollte doch nur einen einzigen Baum kaufen. Er sollte ganz winzig sein. Verflixt nochmal: ein Königreich für einen Baum. Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum…
Ich fing schon an zu überlegen, welchen kleinen Baum ich in meinem Garten würde fällen können. Die Tannen wären nicht schlecht gewesen, sie waren sehr gerade und aufrecht gewachsen. Doch für die Größe dieser Bäume in meinem Garten hätte ich einen Palast gebraucht. Ich war auf dem Weg nach Hause, um den Garten nach irgend etwas zu durchforsten. In Gedanken aber fand ich keinen Tannenzweig, den ich in einen kleinen Baum hätte umwandeln können.
Vor der Garage drehte ich um und fuhr wieder los. Zu OBI wollte ich nun noch fahren. Vielleicht hätten die noch…
Als ich dort ankam, wurde ich gefragt, was ich wolle.
Wer Brötchen haben möchte, darf eintreten. Wollen Sie Brötchen?”
Ich zögerte einen Augenblick. Ich hätte ja eintreten können und wäre dann schnell in die Gartenabteilung gelaufen und hätte mir eine einzige kleine Tanne stibitzt und sie unter meinem Mantel nach draußen befördert. Aber das Herz rutschte mir in die Hose und ich sagte nur: „Keine Brötchen, nur einen klitzekleinen Tannenbaum möchte ich haben.“ – „Junge Frau, gehen Sie um die Ecke rum, da ist auch OBI und die haben Tannenbäume vor der Tür zum Verkauf stehen.“ Ich alte Frau ging um die Ecke, der Wind blies mir kalt um die Nase. Aber auf dem freien Gelände wurden Tannenbäume verkauft. Herrlich!
Ich fragte nach dem kleinsten Baum und nachdem er zehn rausgeholt hatte und keiner kleiner war als 1.80.m gab ich es auf, suchte den mit der kahlsten Spitze aus und ließ mir die Tanne ins Auto packen. Die Spitze würde ich reichlich kürzen und dann wäre der Baum nur noch 1.60 hoch. Das war immer noch zu viel, aber lieber die zu große Tanne als gar keine.
Zu Hause angekommen, würgte ich den Baum aus dem Auto und brachte ihn keuchend bis zu Haustür. Dort begegnete mir mein Nachbar.
Warum haben Sie denn nichts gesagt? Für eine Frau ist der doch zu schwer. Komm, ich helfe Ihnen.“
Ich bedankte mich und bat ihn, den Baum ins Wohnzimmer zu bringen, um ihn auf den Teppich zu legen. „Rufen Sie mich an, wenn Sie ihn aufstellen wollen,“ sagte er noch und verschwand.
Am Mittag rief mein Nachbar an und fragte: „Soll ich ihnen den Baum jetzt aufstellen ?“ – „Vielen Dank, das war nicht schwer. Das konnte ich alleine. Aber vielen Dank! das war lieb von Ihnen nochmal daran zu denken.“ Er lachte und meinte, dass er dann zufrieden sei.
„Wärme in der Kälte“ heißt heute mein Bild und ich wünsche uns allen, dass uns die Wärme umhüllt und vor der Kälte schützt.
Alles wird gut.
