Wer kann zaubern?

Wir wohnen an einer sehr lauten Strasse. Doch uns stört das nicht, da das Haus zurückgesetzt steht und eine wunderschöne Kastanie hilft die Lautstärke der Autos zu dämpfen. Ausserdem haben wir doppelt verglaste Fenster, sind ziemlich schwerhörig und leben hauptsächlich in Richtung Garten. Und der ist hinter unserem Haus.

Der Garten ist kuschelig und schön, hat viele Büsche und Hecken, was unsere Besucher, die vielen Vögel, sehr schätzen.

Wir haben natürlich für unsere kleinen Gäste immer Körner und Nüsse ausgelegt, aber in einer Höhe von 1 Meter 50, damit keine Mäuse drankommen.

Direkt neben unserer Wohnung trennt uns eine Holzwand von unserer Nachbarin, die ebenfalls einen niedlichen, doch viel kleineren Garten hat als wir. Wenn man von ihrem Apartment aus in den Garten schaut, sieht das Fenster aus wie eine Voliere, denn bei ihr sitzt die ganze Vogelschar, quatscht, piepst und singt, während wir uns meist damit begnügen müssen, dass die Eichhörnchen versuchen in den Futterkorb zu springen oder wir wenigstens in den Genuss kommen, die früh blühende Kamelie unserer Nachbarin zu geniessen, die üppig zu uns über die Holzwand hängt.

Ansonsten: Haben wir 2 Meisen im Garten, hat sie 10 davon, 2 Rotkehlchen—sie hat 20, wir haben 1 Amselpaar, sie drei—wir einen Kleiber, einen Gimpel—den Zaunkönig teilen wir uns—den Sittich zeigt sie uns freundlicherweise und der Specht ist eher auch bei ihr. Das alles ist doch ungerecht. Oder? Irgend etwas mache ich falsch.

Bei ihr bedienen sich die Vögel und Eichhörnchen ganz allein, in dem sie Eimer öffnen, Chaos verbreiten und viele male Konzerte geben. Gott sei Dank, dass die Vogelzauberin so dicht wohnt, sonst müsste ich ziemlich neidisch sein. Aber unsere Nachbarin teilt mit uns. Und das ist doch nett.

Nur—jetzt gibt es wieder ein Problem und das gefällt mir nicht. Es kommen die Mäuse aus ihren Bauten und wollen wieder Party feiern. Die Nachbarin geht mit dem Stöckchen auf sie los, um sie zu vertreiben. Was machen die Mäuse? Turnübungen am Stöckchen. Oder sie hält sie einfach am Schwänzchen fest! Was machen die Mäuse? Nichts, es macht ihnen Spass! Stellt sie Fallen auf, sind die kleinen Nager ganz clever und schieben die Käsestückchen von aussen mit ihren Pfötchen bis ans Gitter und schaffen es, dass die Falle am Ende leer und ihr Bauch voll ist.

Ich muss jetzt wieder unbedingt viel Minze pflanzen, damit sie nicht wagen zur Abendstunde zu uns zu kommen, wenn wir gerade romantisch im Abendschein auf der Veranda sitzen und ein Glas Wein trinken wollen. Minze mögen die Mäuse nicht und die mit Obstessig getränkten alten Lappen können sie auch nicht leiden, die ich als Barriere zwischen unserer Vogel-Mäuse-Nachbarin und unserem Garten dekoriere. Die Lappen begiesse ich übrigens alle paar Tage, damit sie den Geruch behalten. Aber ob das wirklich nutzt?

Unsere Nachbarin ist der weibliche Konrad Lorenz und ich habe manchmal das Gefühl, selbst die Mäuse merken, dass ihnen nicht wirklich an die Gurgel gegangen werden soll. Und ich habe ausserdem den Verdacht, dass unser Rattenfänger von Hameln, der Gift gegen Ungeziefer im Garten auslegen soll, möglicherweise Zucker auslegt, denn die letzten male hat keine Maus oder Ratte geknuspert.

Muss ich mir jetzt Sorgen machen oder gibt es Hilfe gegen dieses Mäuseproblem? Im letzten Jahr haben mich alle bedauert, als ich davon schrieb, aber Rat erhielt ich keinen. Mal sehen, ob irgend jemand in diesem Jahr eine Idee hat. Ich brauche ja keinen Mordplan, den ich durchführen müsste.Ich suche nur jemanden, der die Mäuse an einen anderen Ort zaubern kann. Möglichst weit weg!