Wie ich auf den Hund gekommen bin

Wir haben immer Hunde gehabt. Und gleich nach dem Krieg 1945 war es auch wichtig, dass Hunde unsere Begleiter waren, denn es lief eine Menge ungutes Volk durch die Straßen. Viele suchten Essen, andere Behausungen. Wohnungen und heile Häuser gab es kaum. Es wurde geklaut wie die Raben. Egal, ob es ein paar Kohlen am Bahndamm gab, die einer aus seinem Sack verloren hatte oder jemand für einen kleinen Augenblick seinen Stand auf dem Marktplatz verlassen musste. Und schon hatte man bei ihm zugeschlagen und die Taschen voller Essbarem gestopft.

Wir wohnten noch 20 km außerhalb unserer Stadt, weil mein Vater wollte, dass wir erst dann wieder in die Stadt kommen sollten, wenn das kleine Häuschen für uns stehen würde und er sein Geschäft zum Laufen gebracht haben würde.

Mein Vater hatte einen Hund in dieser Zeit, der ihm nie von der Seite wich und ihn beschützte, komme was da wolle. Er fletschte jeden mit seinen gelben Zähnen an und meine Mama war froh zu wissen, dass dieser fürchterliche Hund, der dazu auch noch aussah wie ein Monster, meinen Vater verteidigte wo er nur konnte.

Kamen Hund und Ehemann am Abend heil nach Hause, war meine Mutter schon jedes mal mit einem glücklichen Seufzer zufrieden und überließ meinem Vater das Sofa zum ausruhen. Und wenn sie liebevoll den armen geplagten Schwerarbeiter zudecken wollte, so konnte sie das nur tun, wenn sie Anlauf nahm und die Decke mit einem Abstand von 2-3 Metern über ihn warf. War Vati nicht ganz richtig zugedeckt, schubberte der grauenhafte Hund so lange die Decke, bis Vater bis zur Nasenspitze zugedeckt war.

Flohrchen hieß der Hund, wer weiß warum.

Als wir später wieder in die Stadt zogen, gab es kein Flohrchen mehr. Wahrscheinlich an Gallensteinen gestorben. Ich weiß es nicht. Statt dessen bekamen wir Cilla, eine Kreuzung aus Schäferhund und vielleicht Spitz. Doch mein Vater behauptete, das sei ein ungarischer Hirtenhund. Internet gab es damals noch nicht und in Brehms Tierleben habe ich diesen Hund auch nie entdeckt. Egal. Cilla war ein toller Hund und ich hatte oft das Gefühl, dass wir beide gut miteinander reden konnten. Tags über war er an der Kette in seiner Hundehütte und des Nachts lief er an einer langen Kette durch den ganzen Hof an einer Leine, die diagonal über den Platz gespannt war. Wenn wir mal im Dunkeln nach Hause kamen, brauchten wir nie Angst zu haben, dass Cilla uns fressen würde. Sie erkannte jeden von uns an seinem Schritt oder Geruch oder…

Dieser Hund war meine allerbester Freundin. Als sie Junge bekam, wollte ich unbedingt die Jungen sehen. Ich fragte meinen Vater, ob ich das dürfe. Er meinte, das ginge nur dann, wenn er selbst Cilla mit ins Büro nehme. Wenn Hündinnen Junge haben, werden sie wild und verteidigen ihren Wurf. Also, er nahm Cilla mit ins Büro, ich krabbelte in die Hundehütte und hob einen nach dem anderen der Kleinen hoch, einer süßer als der andere. Plötzlich hörte ich das Knallen einer Tür. Cilla ahnte irgendwas und hatte sich die Tür vom Büro selbst geöffnet, war rausgestürzt und auf mich losgesprungen. Sie zerriss meine Schürze, hielt dann inne und fing an zu jaulen, leckte meine Hände und drängte zu den Babys, ohne dabei aufzuhören mich weiter zu trösten. Sie wollte mich nicht wirklich attackieren. Das war ihr Mutterinstinkt.

Von da an durfte ich mit ihr zusammen zur kleinen Hundeschar. Ich spürte, dass sie mir vertraute und so war die Attacke auf mich auch sehr schnell vergessen.

Ich musste an diese Geschichten denken, genauso auch an unseren Fellow, der der Hund unserer Kinder wurde. Er passte auf sie auf, er spielte mit ihnen Fußball und unser großer Sohn unterhielt sich tagtäglich mit ihm über alles Ungemach dieser Welt. Nur Fellow konnte ihn verstehen.

Als ich vor kurzem auf Terra X von neuen Untersuchungen über unsere Hunde und ihre Domestizierung hörte, war ich geradezu fasziniert von diesem Bericht, denn es gab so vieles, was dort berichtet wurde, ich schon immer gefühlt hatte als Kind. Dass die Hunde unsere Mimik erkennen, dass sie sich mit uns verständigen können, dass sie klug sind, dass sie unsere Ängste spüren, sie unsere besten Freunde sind, treu, unglaublich gelehrig, ein Hütehund, ein Spür- ein Jagd-, ein Minen- Schlitten und sogar Therapiehund, der mit dem Menschen schon zwischen 20000 bis 40000 Jahre vor Christi zusammen kam…

Was also wäre aus dem Menschen ohne Hund und der Hund ohne Menschen geworden?

Jeder von uns sollte auf den Hund kommen.