Lieber Edward,
manchmal muss auch erst einmal etwas passieren, damit man erkennt, wie viel einem der andere bedeutet. Ich weiß das auch erst jetzt so ganz richtig. Ich wollte es lange nicht wahrhaben, weil es gut ist frei zu sein, wenn man noch so jung ist. Doch dann kommt so ein unverhoffter Moment, eine wunderschöne Begegnung und alles ist anders. Das musste ich mir erst einmal eingestehen. Tagelang habe ich mir die Augen ausgeheult, weil ich Dich nicht verstanden habe. Vor allem aber, weil Du mir nicht erklärt hast, was los war. Du Dummbacke!
Ich habe Dich lieb und sehe Dich, wenn ich Dich sehe.
Deine Lizzy
Liebste Lizzy,
meine Mutter schrieb mir, dass sich meine „Schwedenbraut“ für einen Besuch bei ihr angemeldet hat. Keine Ahnung warum! Ich frage mich, ob Du sie kennenlernen möchtest, weil Du wissen solltest, wer sie ist. Und vor allem, weil ich möchte, dass Du mir glaubst, dass Du es bist, die ich lieb habe.
Du hast mich sehr glücklich gemacht, als Du mir geschrieben hast. Zwar werde ich Dich nun ein Jahr nicht sehen können, habe aber immer etwas, worauf ich mich freuen kann.
Ruf meine Mutter an und sprich mit ihr. Sie weiß, dass ich Dir geschrieben habe, dass Greta, sie hat schließlich auch einen Namen, nach München kommt.
Ich umarme Dich ganz innig
Dein Edward
Lange überlegte Lizzy, was sie tun sollte. Sie war wirklich neugierig, doch es schwang auch viel Unsicherheit mit, ob sie wohl selbstbewusst genug auftreten konnte.
Sie besprach es mit Hannerl, die gleich voller Begeisterung war und meinte, die wolle sie sich ebenfalls anschauen – schon aus reiner Neugierde.
Lizzy rief Edwards Mutter an, die gleich lachend fragte: „Na, host Lust sie anzuschaun? Ich fänds guat, wann Du dös machen tätst. Ich kenn sie ja und würd schon a gern den äußeren Unterschied zwischen Euch rausfinden wolln. Den menschlichen kenn i a und Du weisst scho, dass ich Dich gern habe!“ – „Soll ich wirklich? Und was ziehe ich an?“, fragte Lizzy. „Kein Problem, zieh Deine Jeans an und ein weißes Shirt dazu. Je einfachen, desto besser. Du wirst scho sehn! Und bring ruhig das Hannerl mit. I ruf di an, wann sie kummt.“
Schon zwei Tage später gab sie Bescheid und die zwei Mädchen machten sich auf den Weg zu Frau Bauer.
Frau Bauer öffnete und die Schwedenbraut stand schon dicht hinter ihr und rief gleich: „Nä, Du bist mich net gleich.“ Frau Bauer drängte sie zurück, um die Mädchen einzulassen. „Hallo, Ihr Zwei,“ sagte sie hochdeutsch. „Kommt rein. Ich habe netten Besuch hier. Das ist Greta, das ist Lizzy und Hannerl ist ihre Freundin.“ Sie traten in die gemütliche Küche, wo der Kaffee Tisch schon gedeckt war. Greta schaute die ganze Zeit zu Lizzy, die sich etwas unwohl fühlte. Doch sie hatte verstanden, warum Frau Bauer wollte, dass sie schlicht gekleidet kommen sollte. Auch nicht im Dirndl. Das trug nämlich Greta und es war ein nicht ganz passendes, weil es aufwendiger war als ein normales Waschdirndl, was man eigentlich tagsüber trug.
Greta holte eine deutsche Frauenzeitschrift aus der Tasche und schob sie zu Lizzy.
„Das ist reason, warum ich bin hier. Habe Dir gesähen und die Bauerin gefragt, ob sie weiss etwas davon. Sie hat gesagt, kennt Dir und darum bin ich hier.“ – „Ja, der Fotograf hatte mich angesprochen, ob ich mich fotografieren lassen wollte. Ich hatte mich am Bein verletzt, darum war ich nicht beim Skifahren. Das ist alles,“ antwortete Lizzy. Frau Bauer teilte den Kuchen aus und Hannerl schaute ständig von einem zum anderen. „Willst Du oft jetzt shooting machen. Dann sag mir gleich. Die Fotomänner werden denken, ich bin mal fätt, mal dünn. Das nicht gut. Ich kieke Dich dann in Hintern.“ – „Was machst Du dann?“, fragte Lizzy überrascht, ob sie es richtig übersetzt und verstanden hatte. Frau Bauer ging dazwischen und sagte zu Greta: „Du wirst ihr nicht in den Hintern treten. Das ist ein schlimmer Ausdruck. Sag lieber, dass Du ihr aus dem Weg gehen wirst.“ – „Okay, okay, dann nicht. Aber ist das Dein Profession oder habt Du andere Berufe? fragte sie anschließend und dann konnte Lizzy ziemlich entspannt antworten, dass sie Malerin und Grafikerin sei. Vor allem, weil sie gerade einen Auftrag bekommen hatte ein Kinderbuch zu illustrieren.
Greta kritisierte die Fotos als zu laienhaft und fand nicht gut, dass Lizzy nicht geschminkt war. Außerdem sei sie zu dick und wenn sie wirklich weiterhin nebenher fotografiert werden wollte, wäre das nicht gut. „Dazu hast du doch gestohlen ein Stücke meine Gesicht.“ Und dann holte sie eine Menge Fotos raus, die von ihr gemacht worden waren. Hannerl meinte dann bewundernd: „Du siehst toll aus!“ „Finde auch. Darum ist mich wichtig, dass es nicht hässlich und schöne Fotos von mich gibt, wenn Du Dich auch weiter fotografieren wirst…“
Über zwei Stunden schauten sie sich Fotos an, bewunderten Greta, um sich dann freundlich zu verabschieden. Greta wollte noch zwei Tage in München bleiben und dann zurück nach Stockholm fliegen. „Vielleicht werde auch Edward besuchen, wenn in USA ich bin.“
Frau Bauer lächelte den Mädchen ermunternd zu und sagte noch schnell: „Kommt mich bald mal besuchen.“ Und Greta meinte undeutlich: „Und kieke sie doch in Hintern!“ – „Du bist ungezogen,“ hörten sie noch Frau Bauer sagen und dann waren sie weg.
Lizzy hatte einen hochroten Kopf und musste diese Begegnung lange verdauen.
Hannerl meinte dann: „Aber Ihr seht Euch trotzdem sehr ähnlich, auch wenn sie fand, Du seist dick. Sie spinnt und sie ist zu dünn und zu doll geschminkt.“
Ein paar Wochen später besuchten sie Frau Bauer, die ihnen erzählte, wie aufgeregt Greta gewesen sei, sie gesehen zu haben. Auch schien sie sehr eifersüchtig. „Nimm es so hin, Lizzy, sie ist für Dich nicht mehr wichtig. Wir haben Dich hier alle sehr gern, auch wenn ich nicht für alle sprechen kann. Du siehst ja eh nur immer drei oder vier Personen aus unserer großen Familie. Und demnächst werden auch wir von München verschwinden..!“ Die Mädchen waren erstaunt. „Was wollen Sie beide denn tun, wenn Ihr Rentner sein? Aus München wirklich weggehen?“ – „Ja, mei, mir san nimmer frisch und jung wie Ihr. Vielleicht gehn wir wieder zruck nach Garmisch oder irgendwo in den Süden! Wo unsere alten Knochen noch ein bisschen gewärmt werden könnten!“
Forts. folgt
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